Keine E-Mail fuer Dich
um ihre Freundschaften zu kümmern und diese zu genießen. Viele sind abends zu erschöpft, und schon ein Anruf bei einer Freundin wird dann schnell zur Qual und Verpflichtung. Viele haben Zukunftsängste: Was wird nach dem Studium, bekomme ich dann einen guten Job? Wenn ich einen Job habe, werde ich dort auch bleiben? Andere werden als Konkurrenten empfunden, der Rückzug ins Private, fernsehen oder am Computer zu sitzen ist dann kurzfristig erst mal die sicherere Variante.
Es fehlt an Aufgeschlossenheit, Neugierde am anderen und Unbekümmertheit. Als Konsequenz leben viele mit ihrer Einsamkeit und nehmen sie als gegeben und als Schicksal hin. Vielen fällt es schwer, sich in einer Gruppe zu integrieren, denn wir sind zu sehr Individualisten geworden. Durch den Zerfall und die Auflösung der alten familiären Strukturen haben wir uns daran gewöhnt, nur mit einem Elternteil aufzuwachsen, und nehmen auch Kontaktabbrüche mit einzelnen Familienmitgliedern klaglos hin. Auch das führt zu Vereinsamung und Bindungsunfähigkeit, die zu einem Massenphänomen geworden ist.
Menschen, die einen guten Freundeskreis haben, wirken ausgeglichener. Sie fühlen sich sozial integriert und sind im Leben besser orientiert. Wir sind auf Gefühlsaustausch, Verständnis und Anerkennung angewiesen, dies stärkt unser seelisches Wohlbefinden. Für Isolation und Einsamkeit ist der Mensch nicht geschaffen, es entstehen Ängste, Depressionen und psychosomatische Beschwerden.
Aber auch wer in einer Partnerschaft lebt, braucht andere intensive Beziehungen, sonst gerät man schnell in Abhängigkeit voneinander. Viele sind sich der Bedeutung von Freundschaften nicht bewusst. Sich auf jemanden verlassen zu können, sich geborgen zu fühlen, Spaß zu haben, jemanden zu haben, der zuhört, mit dem man offen über alles reden kann, der einem auch in Krisenzeiten beisteht, all das wirkt stabilisierend auf die menschliche Psyche.
Der Individualpsychologe Alfred Adler war der Meinung, dass unsere drei Lebensaufgaben Arbeit, Liebe und Freundschaft sind. Diese drei Aufgaben seien zu lösen, und es wäre verhängnisvoll für uns selbst, eine dieser drei Aufgaben zu vernachlässigen.
Wahre Freundschaften sind wertvoll und nicht sehr häufig. Wir brauchen einen Vertrauten, dem wir alles sagen können. Viele sehnen sich danach und sind dabei etwas ratlos, warum sie in diesem Bereich Defizite haben. Sie sind nicht fähig, Freundschaften zu gestalten, die richtige Auswahl zu treffen und Konflikte zu lösen.
Mit dem Begriff »Freund« gehen wir heute sehr nachlässig um. Gerade durch soziale Netzwerke wird er inflationär gebraucht. Suchen wir bei Facebook oder auf anderen sozialen Plattformen »den Vertrauten«, den wir im wahren Leben nicht haben?
Eine Klientin von mir hält sich viel in Foren auf, denn dort hat sie das Gefühl, alles sagen zu können. Sie fühlt sich verstanden und getröstet, denn alle anderen haben schon Ähnliches erlebt wie sie. Es entstehen Vertrautheit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, aber nur virtuell. Die anderen Forenteilnehmer hat sie bis jetzt nie persönlich kennengelernt. Ein persönliches Treffen wurde zwar angeregt, aber dazu ist es bis heute nicht gekommen.
Auch kurzweilige Beziehungen oder Bekanntschaften werden schnell als Freundschaft betitelt. Bei Problemen oder Konflikten werden diese Beziehungen recht schnell wieder beendet. Bekanntschaften sind weniger tiefgründig, sodass man nicht von einer echten Freundschaft sprechen kann. In Bekanntschaften sprechen wir weniger von uns selbst, sondern eher über das Wetter oder andere Alltagsthemen.
Alleinsein an sich ist nichts Schlimmes, sondern kann zeitweise auch wohltuend wirken. Einsamkeit hat mit Alleinsein nur bedingt zu tun, denn sie entsteht nicht automatisch. Alleinsein bedeutet, dass man mit anderen nicht zusammen ist. Einsamkeit ist ein psychologisches Problem, denn man kann sich auch in einer Menschenmenge einsam fühlen. Eine Klientin sagte mir, sie habe sich nie einsamer gefühlt, als wenn sie nachts neben ihrem Freund gelegen habe. Man kann sich also auch zu zweit einsam fühlen, wenn man innere Verlassenheit spürt.
Wahre Einsamkeit verursacht tiefe Schmerzen, die körperlichen Schmerzen ähnlich sind. Menschliche Nähe ist genauso wichtig wie Nahrung. Einsamkeit als vorübergehender Zustand ist bedingt auszuhalten, stellt sich allerdings eine chronische Einsamkeit ein, sind Depressionen und Angsterkrankungen meist die Folge. Einsamkeit an sich ist
Weitere Kostenlose Bücher