Keine Entschuldigungen
schlossen.
„Ich werde in neunzig Minuten bei dir sein – spätestens. Sei dort.“
„Ooooh! Ich liebe es einfach, wenn ein Mann sich an die Brust schlägt“, murmelte sie und fuhr nachlässig mit der Hand über seine Brustwarze. „Oder irgendwas anderes in der Richtung macht.“
„Du willst mich nicht wirklich in diese Richtung drängen, Annalise.“
Ihre Blicke trafen sich, saugten sich aneinander fest. Der Machtkampf, der seit ihrer ersten Begegnung deutlich unter der Oberfläche vor sich hinbrodelte, hob jetzt wieder sein hässliches Haupt. Ein Teil von ihr wollte zurückweichen, wenigstens ein bisschen nachgeben. Aber sie hatte nichts, das sie ihm geben konnte. Michael, jener lügende, betrügende, mit Abschaum vögelnde Mistkerl hatte ihr vor acht langen Jahren alles genommen.
„Und du willst mich nicht zu irgendwas drängen.“ Sein Grinsen war spöttisch. „Versuch’s mit mir.“
Er drehte sich um und ging, ehe sie sich eine Erwiderung ausdenken konnte. Gottverdammtnochmal.
Zornig und frustriert, vor allem aber total verunsichert, was sie als Nächstes tun sollte, ging Annalise zurück an ihren Tisch. Sobald sie dort saß, bat sie Angelo, ihr Essen für sie einzupacken, das in ihrer Abwesenheit aufgetragen worden war. Sie warf ein paar Zwanziger auf den Tisch, sammelte ihre Stola und die Styroporbox zusammen und ging zu ihrem Auto. Sie sorgte dafür, kein einziges Mal in Gabes Richtung zu schauen. Aber sie spürte ohnehin seinen Blick, der auf ihr ruhte.
Draußen atmete sie einige Male tief durch und legte eine Hand gegen die alte Ziegelmauer des Restaurants, um ihr Gleichgewicht zu bewahren. Was war bloß in sie gefahren? Verliebte sie sich etwa wieder in einen überaus sinnlichen, dominanten Kerl? Verliebte sich in einen Mann, der die Blicke der Frauen auf sich zog, wo er ging und stand? Wie hatte ihr das passieren können, nachdem sie sich geschworen hatte, dass sie nach Michael nie wieder einem Mann so große Macht über sich zugestehen wollte? Wie konnte es passieren, dass sie aus ihren Fehlern nicht lernte?
„Hey, Annalise! Alles okay?“
Überrascht blickte sie über die Schulter. Zwei der Parkservice-Mitarbeiter blickten besorgt zu ihr herüber. Sie musste einen schlimmeren Anblick bieten, als sie dachte, fischte ihr Parkticket aus der Handtasche und antwortete: „Alles in Ordnung, Jungs.“ Dann reichte sie dem großen, blonden Kerl ihr Parkticket. „Ihr seht ziemlich überarbeitet aus.“ Sie nickte zu dem vollen Parkplatz hinüber.
„Für dich sind wir nie zu beschäftigt“, antwortete er mit einem Grinsen. Er nahm das Ticket und ließ seine Hand etwas länger als notwendig auf ihrer ruhen. Sie erwiderte sein Lächeln und zwinkerte ihm zu. Mickey war ein süßes Kerlchen, und sie erinnerte sich liebevoll an die Stunden, die sie letztes Jahr im späten Frühling auf ihm verbracht hatte. Er war ein junger, aber nichtsdestotrotz enthusiastischer Liebhaber.
Obwohl sie noch von Gabe nass war, überlegte sie für den Bruchteil einer Sekunde, Mickeys unausgesprochenes Angebot anzunehmen. Nur um Gabe zu beweisen, dass er keine Macht darüber hatte, was und mit wem sie es trieb. Nur um es auch sich selbst zu beweisen.
Aber sie war nicht in der richtigen Stimmung, um Männer allein aus dem Grund zu ficken, ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Sie vögelte, um eine gute Zeit zu haben. Manchmal auch nur, um ein paar Augenblicke lang seliges Vergessen zu finden. Aber sie war noch nie die Frau gewesen, die sich ins eigene Fleisch schnitt.
Mit einem bedauernden Seufzen stieg sie daher allein in ihren elektrischblauen, zweisitzigen BMW. Sie winkte den Jungs zum Abschied zu und fädelte Fancy Pants langsam in den Verkehr ein.
Fancy Pants war völlig anders als der rostige, alte Chevy, den sie sonst fuhr, dieses Auto hier war vielmehr ein Begleiter für ihr aufgedonnertes Ich. Von der Einzimmermansarde ohne Fahrstuhl, die sie vor acht Jahren mit Michael geteilt hatte, war sie einen weiten Weg gegangen. Sie scheute vor den Erinnerungen zurück. Acht Jahre waren nicht lang genug, um zu vergessen, wie es sich angefühlt hatte, ihn in flagranti mit ihrer ewig jung gebliebenen, auf traurige Weise unselbstständigen Mutter zu erwischen. Annalise knurrte wütend. Musste ihr Leben denn sein, als wäre es direkt einer zweitklassigen Fernseh-Talkshow entsprungen?
Sie fuhr vom Restaurantparkplatz und hatte fest vor, in das Gaslamp Quarter zu fahren und bis nachts um zwei Party zu machen. Es war für
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