Keine große Affäre
zu Daddy war schwierig
gewesen, und die Probleme zwischen ihnen waren ungelöst geblieben. Egal, wie
sehr ihr alle versicherten, daß er sie geliebt hatte — es schien überhaupt
nichts zu nützen. Stur lehnte sie jeden Trost ab.
Als das Testament verlesen wurde und
sich herausstellte, daß Daddy nicht nur Ginger großzügig bedacht hatte, sondern
auch Guy, hatte Pic Ginger angesehen und erwartet, daß sich ihr Gesicht
aufhellen würde, aber sie hatte nur entgeistert ausgesehen.
»Na siehst du, er hat dich
geliebt...«, hatte sie geflüstert und unter dem großen Mahagonitisch die Hand
ihrer Schwester gehalten.
»Das weiß ich doch«, hatte Ginger
gezischt. »Aber er wußte nicht, daß ich ihn auch geliebt habe.«
»Doch, davon bin ich überzeugt«, hatte
Pic behauptet, doch sie war sich nicht ganz sicher, ob das wirklich stimmte.
Ginger war es immer ziemlich gut
gelungen, die Zuneigung zu verbergen, die sie für ihren Vater empfand. Sie
hatten jahrelang kommuniziert, indem sie sich Gefechte lieferten, aber das
bedeutete nicht, daß Daddy sie weniger geliebt hätte. Ja, sagte sie zu Ginger,
sie hatte ihn zwar empört, geärgert und gekränkt, aber es hatte ihm trotzdem
Freude bereitet. Er liebte einen guten Streit.
»Ihr habt ihm beide sehr viel Freude
gemacht, auf verschiedene Art und Weise«, hatte ihre Mutter an dem Tag zu ihnen
gesagt, als er starb. Daran erinnerte Pic Ginger immer wieder. Doch es schien
nichts zu nützen.
»Glaubst du nicht, es würde dir
helfen, ab und zu mal ein paar Leute zu treffen?« Als sie aus dem Wald auf die
sonnigen Grünflächen beim See kamen, versuchte Pic es noch einmal.
»Nein«, sagte Ginger beleidigt.
»Wie steht’s mit Robert? Er schafft es
immer, dich aufzuheitern.«
»Ich brauche niemanden, der mich
aufheitert«, sagte Ginger zu ihr. »Mir geht es sehr gut. Ich hab schon genug
damit am Hals, mir zu überlegen, wie das mit meiner Arbeit werden soll und mit
Lia und Guy.«
»Wie geht es Lia überhaupt?« fragte
Pic, die für den Themawechsel dankbar war. Wenn Ginger über ihre Freundin
sprach, würde sie vielleicht merken, wieviel Glück sie im Vergleich zu ihr
hatte.
»Ich glaube, sie kommt inzwischen ein
bißchen besser damit zurecht«, sagte Ginger. »In der ersten Woche, nachdem
Anouska aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war sie völlig rappelig, aber
jetzt scheint sie ein bißchen ruhiger zu sein. Sie sagt, daß sie Guy sehr gern
wieder nehmen würde, aber ich weiß nicht, was ich tun soll...«
Seit dem Tod ihres Vaters war Ginger
nicht mehr zur Arbeit gegangen. Ironischerweise fehlte sie ihr richtig. Ihr
wäre jede Ablenkung von der ständig hämmernden Schuld willkommen gewesen, aber
sie hatte sich nicht durchringen können, Guy bei einer Fremden zu lassen.
»Du mußt jetzt nicht mehr arbeiten«,
gab Pic zu bedenken. Es war eine indirekte Anspielung auf das Vermögen, das sie
geerbt hatten.
»Du aber auch nicht«, konterte Ginger
auf der Stelle.
»Nein, aber ich liebe meinen Beruf, und
du nicht«, argumentierte Pic.
»Ja«, gab Ginger zu. »Ich glaube nur
nicht, daß ich im Moment in der Lage bin, wichtige Entscheidungen zu treffen.«
Pic mußte zugeben, daß das vernünftig
war. Ginger war nicht sie selbst. Sie wünschte nur, sie könnte ihr helfen.
»Ich finde nur, wenn du dir ein
bißchen Spaß gönnen würdest...«, fing sie an.
»Ach, wieso läßt du mich nicht einfach
in Ruhe!« schrie Ginger sie an. Erschreckt über ihr eigenes Gebrüll, brach sie
in Tränen aus. Pic stellte die Bremse des Buggy fest und ging mit
ausgestreckten Armen auf sie zu. Minutenlang umarmte sie Ginger fest.
»Ich hab mit Charlie gebumst, als ich
bei Daddy hätte sein müssen«, platzte Ginger an Pics Schulter heraus. »Daddy
hat mich zum Bootsrennen eingeladen, auf diese Party. Er hat demonstrativ
angerufen und mich eingeladen, und ich habe einfach abgelehnt. Ich hab nicht
mal drüber nachgedacht... Ich wollte mich so gern mit Charlie treffen, und
Daddy hat versucht, Guy in die Familie aufzunehmen, und es hat ihm sehr viel
bedeutet, und ich hab ihn einfach auflaufen lassen...« All die Sätze, die ihr
im Kopf herumgegangen waren und sie bestraft hatten, sprudelten jetzt aus ihr
heraus. »Ich war so egoistisch, und ich hatte nie Gelegenheit, mich bei ihm zu
entschuldigen... Auf euch hat er gewartet, bevor er starb, aber auf mich
nicht...«
»Das stimmt nicht«, sagte Pic zu ihr
und hielt sie fest, als sie schluchzend gegen sie sackte. »Das stimmt
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