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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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nicht, ob ich es riskieren
kann«, sagte sie. »Aber bis dahin hat sie ihre zweite Ultraschalluntersuchung
gehabt. Ich dachte, wenn die in Ordnung ist, ist sie dort bestimmt genauso gut
aufgehoben wie hier, wenn wir mit der Hitze vorsichtig sind. Ihre Aspirin
können wir ja mitnehmen. Vielleicht tut ihr die Luft gut. Sie haben doch
Krankenhäuser dort, oder nicht?«
    Es war, als würde sie versuchen, sich
selbst zu überreden. Er wußte, wie gern sie zurück nach Portugal wollte.
    Er bemühte sich, ihren Blick
aufzufangen, und lächelte. »Na dann laß uns fahren, wenn die
Ultraschalluntersuchung in Ordnung ist.«
    »Okay«, sagte sie. Ihre Stimme klang
ein bißchen aufgeregt. Sie öffnete die Kühlschranktür. »Wir haben noch Lasagne.
Möchtest du Salat dazu?«
    »Ja«, sagte er traurig. »Salat wäre
toll.«
     
    Die Seeluft hatte Ben müde gemacht. Er
hatte fast den ganzen Tag im Garten verbracht. Er sah ziemlich kolonial aus mit
seinem weißen Sonnenhut mit Kinnriemen, wie er über den Rasen krabbelte und
Margarets roten Dahlien Blütenblätter ausriß. Jetzt schlief er so friedlich,
daß Alison sich tief über das Reisebett beugen mußte, um zu hören, ob er
atmete. Sie küßte ihre Fingerspitzen und berührte dann seine Wange.
    »Ich liebe dich, mein Engel, schlaf
gut«, flüsterte sie, schlich sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und ging nach
unten.
    »Ich dachte, ich mache einen
Spaziergang«, sagte sie zu ihrer Mutter, die gerade in der Küche die Spülmaschine
einräumte. »Es ist erst nach sechs.«
    »Wirklich? Es kommt mir viel später
vor.« Langsam richtete sich Margaret auf.
    »Ja, es ist anstrengend, den ganzen
Tag auf ihn aufzupassen, nicht?« sagte Alison. »Er kann zwei Leute den ganzen
Tag auf Trab halten... Mir ist schleierhaft, wie alleinstehende Mütter das
bewältigen!«
    Sie hatte keinen Hintergedanken
gehabt, als sie das sagte, aber ihr fiel auf, daß ihre Mutter ihr ins Gesicht
sah, bevor sie zustimmte: »Ja, das muß furchtbar schwer sein.«
    Margaret war weicher geworden, dachte
Alison. Als ihr Vater noch lebte, hätte die reflexartige Antwort ihrer Mutter
auf eine derartige Äußerung gelautet: »Es zwingt sie ja niemand, sich allein
Babys anzuschaffen.«
    Und sie hätte sich verpflichtet
gefühlt, ihre Mutter an geschiedene Frauen zu erinnern, an Witwen und an
Frauen, die ohne eigenes Verschulden oder unfreiwillig allein waren, und sie
hätten einen langen Streit gehabt, der zu nichts geführt hätte, und es hätte
damit geendet, daß Margaret etwas gesagt hätte wie: »Du kannst mir die Worte
noch so sehr im Mund rumdrehen. Du weißt genau, was ich meine...«
    Und dann hätten sie den Rest des
Abends nicht mehr miteinander gesprochen.
    Vielleicht waren sie beide weicher
geworden, dachte sie, als sie das Tor öffnete, das zu der Rasenfläche führte,
die die Siedlung vom Strand trennte. Möglicherweise langweilten die alten
Verhaltensmuster ihre Mutter inzwischen genauso wie sie, oder vielleicht war
ihr aufgegangen, daß sie nicht mit ihrer Tochter streiten durfte, wenn sie ihren
geliebten Enkel sehen wollte. Ihr wurde bewußt, was für eine schreckliche Macht
sie da besaß. Ben durfte in ihren Beziehungsspielchen nicht zur Schachfigur
werden.
    Die Kieselsteine knirschten unter den
Sohlen ihrer Lederespadrilles, als sie den Strand hinunterlief. Sie hob einen
Stein auf und warf ihn mit einem befriedigenden Plopp ins Wasser. Das Meer war
ruhig und im Abendlicht milchig türkis. Sie war allein, und nur das sanfte
Plätschern der Wellen war zu hören. Sie beschloß, nach Westen zu laufen, in den
Sonnenuntergang hinein.
    In den letzten Tagen hatte sie ihre
Mutter mit anderen Augen gesehen. In London, wo sie immer schick und sehr
gepflegt aussah, konnte man leicht vergessen, daß sie älter wurde. Hier dagegen
fiel ihr auf, wie langsam sie morgens war, wieviel Mühe es ihr bereitete, die
Treppe hinaufzugehen, und wie sie beim Frühstück nahezu obsessiv den Tag
plante. Sie hielt Alison einen Vortrag darüber, was sie mittags und abends
essen würden, und ging die Zutaten durch, falls sie vergessen hatte, irgend
etwas zu kaufen. Das war nie der Fall. Es war nur ihre Art, die Kontrolle über
ihre Umgebung zu behalten, ihre Methode, die beiden Dinge abzuwenden, vor denen
sich alte Menschen am meisten fürchteten: Gedächtnisverlust und Abhängigkeit.
    Es gab einen Zeitpunkt im Leben, an
dem Eltern nicht mehr auf dich aufpaßten, sondern selbst auf Fürsorge
angewiesen waren. Bei Margaret war

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