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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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können wir mit ihr einen Spaziergang um die Bucht machen,
und wenn sie einschläft, können wir die Rückenlehne vom Buggy herunterlassen.«
    »In Ordnung«, willigte Lia ein.
    In Portugal waren Kinder in
Restaurants gerngesehene Gäste, und sie fragte sich, wieso sie nicht schon
früher auf die Idee gekommen waren, abends auszugehen. Vielleicht hatte sich
keiner von ihnen getraut, es vorzuschlagen, weil es intimer war, sich eine
ganze Mahlzeit lang an einem Tisch gegenüberzusitzen, als auf einem Salatblatt
herumzukauen, Bier zu trinken und dabei von der Küche ins Wohnzimmer und auf
den Balkon zu schlendern. Im Schlafzimmer nachzusehen, ob Anouska schlief, war
ein praktischer Vorwand, um vor jedem Gespräch zu fliehen, das zu tiefsinnig zu
werden drohte.
    Sie saßen unter einem Gitter, um das
sich violette Blumen rankten, und tranken vinho verde.
    »Sind das Bougainvillea?« fragte Neil.
»Ich weiß das nie so genau. In Reiseführern erwähnen sie Bougainvillea so oft,
aber ich habe noch nie gewußt, was das eigentlich ist.«
    »Ich glaube, das ist das rosa Zeug
da«, antwortete Lia und deutete auf andere Blumen, ohne ihn anzusehen.
    Er versuchte, ein neues Gespräch
anzufangen. »Kannst du dich hier ein bißchen entspannen?«
    »Meinst du hier im Restaurant oder
hier in Portugal?« fragte sie und strich sich eine lange Korkenzieherlocke aus
dem Gesicht. Ohne es zu wollen, sah sie seine Miene. Er wirkte so traurig, daß
sie plötzlich Gewissensbisse bekam, weil sie es ihm so schwer machte.
    »Ja«, räumte sie ein. »Mir hat es in
diesem Dorf schon immer gefallen.« Dann mußte sie einfach zufügen: »Manchmal
wünschte ich, ich wäre nie hier weggegangen.«
    Minutenlang stand diese Feststellung
zwischen ihnen. Dann kam Luis’ Cousin, der bediente, und fragte, was sie essen
wollten.
    »Und?« fragte Neil. »Worauf hast du
Lust?«
    »Auf gegrillten Schwertfisch«, sagte
sie.
    »Du hast nicht mal auf die Speisekarte
geguckt.«
    »Hier gibt’s immer gegrillten
Schwertfisch«, informierte sie ihn. »Wie steht’s mit dir?«
    »Hühnchen piri piri«, sagte er.
    »Ja, das ist auch lecker.«
    Sie bestellten und lächelten den
Kellner an, als er ihnen aus dem Keramikkrug Wein nachschenkte. Dann
verstummten sie wieder und folgten ihm mit den Blicken zurück in die Küche.
    Außer ihnen war niemand im Restaurant.
Es war Saisonbeginn, und selbst in der Hochsaison war dieses Dorf eines der
wenigen, in das die Touristenhorden nicht einfielen. Der Weg, der es mit der
Hauptstraße verband, war für Reisebusse noch nicht breit genug.
    Neil beugte sich über den Tisch und
schaute in den Buggy, um zu sehen, ob Anouska schlief. Er rückte die leichte
Decke zurecht, kontrollierte unnötigerweise, daß beide Händchen zugedeckt waren
und sagte dann: »Sie ist ein niedliches, kleines Mädchen. Du hast gute Arbeit
geleistet.«
    Sie lächelte ihn schwach an.
    »Nein, ich meine, du bist wirklich
eine großartige Mutter. Du hast ein natürliches...«
    »Was? Wo sie tagelang Fieber hatte,
und ich sie nicht ins Krankenhaus gebracht habe?« platzte Lia heraus, und ihre
Stimme hatte einen untypischen, bitteren Unterton.
    Neil war entsetzt über ihre Reaktion.
Ihm war nicht bewußt gewesen, daß sie nicht nur auf ihn, sondern auch auf sich
selbst wütend war.
    »Aber der Arzt hat doch gesagt...«,
fing er an.
    »Ja, der Arzt hat gesagt, aber ich
habe ihm geglaubt. Ich wußte doch, daß mit ihr etwas nicht stimmte«, unterbrach
Lia ihn. »Ich hätte mich auf meinen Instinkt verlassen müssen. Es heißt immer,
der Mutterinstinkt ist das Allerwichtigste, aber wenn man sagt, daß man sich
Sorgen macht, behaupten sie, man sorgt sich zu sehr. Wenn etwas nicht stimmt,
bist du daran schuld, und wenn dann doch alles in Ordnung ist, bist du
neurotisch...«
    Sie wurde immer emotionaler. Die Worte
strömten aus ihr heraus, als hätten sie in ihrer Kehle festgesessen und sie
erstickt.
    »Wenn ich sie sofort hingebracht
hätte, hätte sie ihre Medikamente früher bekommen...« Sie wurde fast
hysterisch.
    Neil versuchte sie zu beruhigen. »Aber
der Ultraschall hat doch ergeben, daß ihr Herz nicht geschädigt ist, also war
es doch noch rechtzeitig. Außerdem hätten sie vielleicht nicht die richtige
Diagnose gestellt, wenn du sie von Hinz zu Kunz gebracht hättest. Sie haben
doch gesagt, die Diagnose wäre schwierig. Du brauchst dich doch nicht schuldig
zu fühlen. Du hast getan, was du konntest.«
    »Aber ich fühle mich schuldig...
Nein, nicht schuldig.«

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