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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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ihre Mae !.
Als sie ihnen erklärte, daß das Baby sehr krank gewesen und immer noch sehr
anfällig war, waren sie besorgt, aber nicht verängstigt. Hier wird sie zu
Kräften kommen, versprachen sie ihr. Mit ein bißchen Sonnenschein und gutem
Essen kriegt sie wieder rote Bäckchen. Es war eine Frage des Stolzes, daß sie
in ihrem Dorf wieder gesund wurde. In England sahen die Leute sich das Baby
ängstlich an, als wollten sie sagen: Stirb um Gottes willen nicht vor meinen
Augen!
    Auch Neil war hier glücklich. Er wurde
schnell braun, und durch seine Bräune leuchteten seine Augen blauer als je
zuvor. Er liebte das Meer. Jeden Tag, wenn sie Anouska badete und fürs Bett
zurechtmachte, schwamm Neil durch die Bucht, hin und zurück. Er drehte in
diesem riesigen Swimmingpool ernsthaft seine Runden, und dann kam er patschnaß
zurück ins Apartment gerannt, um unter der Dusche das Salz abzuspülen. Am
zweiten Abend, als er aus dem Zimmer, das zum Balkon führte, mit ihr sprach, wo
sie saß und Bier trank, hatte sie sich selbst dabei ertappt, wie sie ihn beim
Abtrocknen seines mageren, braunen Körpers anstarrte. Ein unerwartetes, kleines
Zucken zwischen den Beinen hatte ihr gesagt, hallo, ich bin hier unten noch
lebendig, und sie wäre am liebsten hineingegangen und hätte ihn angefaßt, aber
sie hatte weggeschaut und so getan, als würde sie den Sonnenuntergang
betrachten, peinlich berührt durch das Aufflackern ungewollten Verlangens.
    Tagsüber war es zu heiß, um an den
Strand zu gehen. Deshalb schlenderten sie zwischen den kühlen Steinportalen des
alten Fischmarktes in Lagos umher, wo der Fisch, den die Einheimischen
Schwertfisch nannten, auf den Ständen lag, lang, flach und silbern wie
Schwertklingen, und daneben Krebse, die kraftlos mit den Scheren durch die Luft
schnitten. Oder sie fuhren landeinwärts nach Martinique und hielten
zwischendurch an, um Bauern, die ihre kleinen Lieferwagen am staubigen
Straßenrand geparkt hatten, große, saftige Wassermelonenstücke abzukaufen.
    Sie entdeckten ein winziges Dorf mit
einer Quelle, das seitlich auf einem bewaldeten Hügel thronte. Dort gab es
einen steinernen Platz, nicht größer als ein Hof, der den ganzen Tag Schatten
bot, wo man das Tröpfeln des kühlen, fließenden Wassers hören konnte.
    »Das Leben ist sehr einfach, wenn man
ein Kind hat, findest du nicht?« bemerkte Neil, als sie sich am dritten Tag nacheinander
dort wiederfanden. Er nahm sich ein Stück von dem Brotlaib im Plastikkorb und
beschmierte es mit Sardinenpaste, die man in der Algarve auf jedem
Restauranttisch fand.
    »Ja«, sagte Lia unsicher. »In gewisser
Weise...«
    Sie pulte das Weiche aus einem Stück
Brot und gab es Anouska, die auf ihrem Schoß saß.
    »Ich glaube, ich meine nur das Tempo.«
Nervös konkretisierte Neil seine Verallgemeinerung. »Man entwickelt einen
Tagesrhythmus, der den Bedürfnissen des Kindes entspricht, und gewöhnt sich
daran. Man muß sich nur an das langsame Tempo gewöhnen.«
    »Ja«, stimmte sie zu.
    »Mir gefällt das ziemlich gut«, sagte
Neil, legte das Messer hin und streckte sich träge auf seinem Stuhl.
    »Du hörst dich an, als wäre dir das
jetzt zum ersten Mal aufgefallen«, sagte Lia lächelnd.
    »Vielleicht. Wenn man hier draußen
ist, bekommt man eine andere Perspektive.«
    »Ja.«
    Sie fingen langsam wieder an,
miteinander zu reden, dachte sie. Zögernd und behutsam stellten sie sich Fragen
und testeten vorsichtig ihre Reaktionen. Die Gespräche waren nicht mehr ganz so
nichtssagend. In Situationen wie dieser dachte sie, daß es sehr leicht wäre,
ihre Beziehung so weiterzuführen, wie sie einmal gewesen war, aber sie wußte
nicht, ob sie das überhaupt noch wollte. Sie war zu erschöpft für eine
Konfrontation, aber sie war nicht der Meinung, daß sie einfach so weitermachen
konnten, als wäre nichts geschehen.
    Es war ein seltsames Gefühl, an Orten
vorbeizufahren, die Erinnerungen daran auslösten, wie wahnsinnig verliebt sie
einmal gewesen waren. Es schien so lange her zu sein. Teil eines anderen
Lebens. Es war nicht so, als würde sie jetzt nichts mehr für ihn empfinden,
aber sie hatte keine tiefen Gefühle. Keine Leidenschaft, nicht einmal Wut. Es
war, als hätte der Schock darüber, daß ihr Leben völlig auf dem Kopf gestanden
hatte, sie so betäubt, daß sie weder Schmerz noch Freude empfinden konnte.
    Als sie an diesem Abend ins Dorf
zurückkehrten, sagte Neil: »Warum gehen wir heute abend nicht essen? Wenn wir
Annie vorher füttern,

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