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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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mit ihren Sachen genommen und sie in
ihre erste Wohnung geschafft hatte. Aber sie war niemals in der Lage gewesen,
die Umarmung ihrer Mutter wirklich abzuschütteln. Das war die Quittung dafür,
ein Einzelkind zu sein — als Kind genoß man die ungeteilte Aufmerksamkeit der
Mutter, aber als Erwachsener hatte man sie immer noch. Wenn Margaret beim
Shopping ihren Arm nahm und ihn mit dieser niederschmetternd intimen Art einer
besten Freundin drückte, spürte Alison, wie sie zurückwich, weil sie keine
Freundin als Mutter haben wollte. Manchmal, wenn sie zusammen die South Molton
Street hinuntergingen, sah sie ihrer Mutter in ihrem schicken Mantel und mit
den hohen Absätzen zu, wie sie die Kleiderständer mit Designermode durchsah,
und wünschte sich, daß sie einfach nur stricken würde oder fernsehen oder das
tun würde, was man von älteren Leuten erwartete, anstatt in Boutiquen
herumzustolpern, dieselben Kleider anzuprobieren und darin oft genauso gut
auszusehen wie Alison.
    Alison seufzte. Margaret würde an
diesem Abend anrufen, wie sie es jeden Abend tat, wenn Stephen weg war, und
fast jeden Abend, wenn nicht, und wissen wollen, wie ihr Tag gewesen war.
Anfangs würde Alison vorsichtig antworten, unverbindlich, aber irgendwie, durch
Hartnäckigkeit oder unter klugem Einsatz gekränkten Schweigens, würde ihre
Mutter sie dazu bringen, ihre Gedanken preiszugeben, und Alison würde
schließlich auflegen und sich fühlen, als sei sie zur Ader gelassen worden. Es
brachte nichts, das Telephon klingeln zu lassen, denn ihre Mutter würde sofort
annehmen, daß die Wehen eingesetzt hätten und in Panik angebraust kommen, um
sicherzugehen, daß sie nicht auf dem Küchenboden niederkam. Sie hatte es auch
mit dem Anrufbeantworter versucht, aber da sie sich so schuldig fühlte, wenn
sie die Nachrichten ihrer Mutter hörte, rief sie immer zurück und verbrachte
zweimal mehr Zeit an der Strippe, als sie es getan hätte, wenn sie den Anruf
sofort entgegengenommen hätte. Wenn jemand anrief, konnte man immer so tun, als
ob man gerade beim Kochen wäre, oder im Bad, oder Gäste hatte, aber wenn man
zurückrief, nahm der andere an, daß man alle Zeit der Welt für einen Plausch
hatte.
    Sie bemerkte plötzlich, daß sie lange
still gewesen war, in Gedanken versunken.
    »Ich weiß immer , was meine
Mutter denkt«, sagte sie, als sie sich an den Ausgangspunkt erinnerte, und Lia
lachte.
    Die Limonadenflasche war leer. Lia
stand auf und ging zu einem Mülleimer. »Ich sollte jetzt lieber zurückgehen«,
sagte sie.
    »Oh.« Alison hatte Lias Gesellschaft
viel mehr genossen, als sie erwartet hatte.
    »Es ist nur, weil Neil normalerweise
gegen fünf heimkommt«, erklärte Lia, die Alisons leichte Enttäuschung spürte.
»Und wir essen früh... Möchten Sie mitessen, wenn Sie allein sind?«
    »Nein, nein, danke«, sagte Alison
schnell und fügte dann, als ihr bewußt wurde, daß das vielleicht unhöflich klang,
hinzu: »Aber ich fahre Sie nach Hause, wenn Sie möchten.«
     
    Es war ein kleines Reihenhäuschen in
einer der preiswerteren Wohngegenden der Stadt, aber es hob sich von den
Nachbarhäusern ab. An allen drei Fenstern hingen Blumenkästen, die mit roten
Geranien überquollen. Ein Hängekorb, eine große Kugel aus rosafarbenen Blumen
und herabhängenden blauen Lobelien, verdeckte die kleine, grüngestrichene
Haustür fast völlig. Alison verlangsamte das Tempo, noch bevor ihre Beifahrerin
ihr gesagt hatte, wo sie anhalten sollte.
    »Es wäre nett, wenn wir uns mal wieder
treffen würden«, sagte Lia und öffnete die Autotür.
    »Ja...« Alison wollte gerade einen
Termin vorschlagen, als sie vom Dröhnen eines Motorrades, das hinter ihnen die
Straße herabgerast kam, unterbrochen wurde. Instinktiv sah sie in den
Rückspiegel.
    »Perfektes Timing!« sagte Lia beim
Aussteigen. »Sind Sie sicher, daß Sie nicht zum Essen bleiben wollen?«
    Alison beugte sich herüber und knallte
die Beifahrertür zu.
    »Ich rufe Sie an«, sagte sie und ließ
den Wagen an, genau in dem Moment, als das Motorrad hinter ihr zum Stehen kam.
    Im Spiegel beobachtete sie, wie Neil
den Sturzhelm abzog und ihr nachsah. Und sie konnte das Bild ihrer beiden
Gesichter inmitten von bunten Blumen sehen, noch lange, nachdem sie zu Punkten
in der Ferne geworden waren.
    Sie fragte sich, warum er seiner Frau
nichts von ihr erzählt hatte. Sie war sich sicher, daß Lia es sonst erwähnt
hätte. Vielleicht, dachte Alison verzweifelt, hatte er sie vollkommen vergessen
oder

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