Keine Lady ohne Tadel
beharrte Esme und nahm sehr wohl ihren störrischen Tonfall wahr. Doch für sie war es wichtig, Miles das Kind zu schenken, das er sich so sehr gewünscht hatte.
»Du weißt schon, dass deine Überzeugung, es sei Miles’ Kind, auch auf einem Irrtum beruhen könnte? Immerhin hast du dich erst nach unserer Begegnung mit deinem Mann versöhnt.«
»Es war bereits in der folgenden Nacht«, sagte Esme schnell. Doch sie wusste, dass dies bei ihm nicht verfing.
»Es kann auch ebenso gut mein Kind sein. Unser Kind. Rein rechnerisch steht es zwischen mir und Miles unentschieden, da jeder von uns eine Nacht mit dir verbracht hat, eine einzige Nacht.«
»Es ist ganz sicher Miles’ Kind. Er hat sich so sehr ein Kind gewünscht!«
»Leider haben Wünsche auch in der Vergangenheit nicht unbedingt zu einer Zeugung geführt.«
Esme musste zugeben, dass Sebastian recht hatte. »Erinnerst du dich an den Brief meiner Mutter, von dem ich dir erzählt habe? In dem sie mir schrieb, sie werde mir nicht bei der Geburt beistehen?«
»Natürlich.« Er begann sein Hemd aufzuknöpfen.
»In einem Postskriptum hat sie angefügt, ich wisse hoffentlich, wer der Vater des Kindes ist. Das war das Allerschlimmste. Denn ich weiß es eben nicht! Wenn wir nicht miteinander geschlafen hätten, dann hätte ich meiner Mutter eine empörte Antwort schicken können, und sie wäre vielleicht doch gekommen. Dann wäre sie jetzt vielleicht hier!«
»Aber nicht in diesem Zimmer, hoffe ich«, sagte Sebastian und zog sie in seine Arme. Er roch betörend nach Mann und frischer Luft. »Ich wünschte wirklich, deine Mutter wäre nicht so starrsinnig.«
Seine Hand auf ihrem Rücken fühlte sich so beruhigend an. Da war es wirklich kein Wunder, dass Esme mit jedem ihrer beschämenden Geheimnisse herausplatzte.
»Ich liebe dich, weißt du das?«, fragte er.
Sie wählte ihre Worte sorgfältig. »Ich weiß, dass du glaubst, mich zu lieben, Sebastian. Aber ich weiß auch, dass du dir Vorwürfe wegen Miles’ Tod machst. Es besteht wirklich kein Grund, es wieder gutzumachen.«
»Wiedergutmachung hat überhaupt nichts mit meinen Gefühlen für dich zu tun.«
»Wieso nicht?«, fragte sie und schaute ihm in die klaren blauen Augen.
»Als ich mich in dich verliebte, war Miles noch quicklebendig und protzte mit seiner Geliebten«, erwiderte Sebastian und sah sie eindringlich an. »Ich habe dich schon geliebt, während ich mit Gina verlobt war. Ich habe dir beim Tanzen zugesehen, und ich habe dir beim Flirten zugesehen. Und ich habe zugesehen, wie du überlegt hast, ob du mit diesem abscheulichen Dummkopf Bernie Burdett eine Affäre beginnen solltest.«
Esme wendete sich verlegen ab und zog das Handtuch eng um ihre Schultern. Wenn sie nicht achtgab, würde sie noch anfangen zu weinen.
»Esme.«
Sie setzte sich schwer auf einen Stuhl, ohne darauf zu achten, dass das feuchte Handtuch Flecken auf dem hellen Seidenbezug hinterließ. »Ich weiß, dass du glaubst, mich zu lieben. Aber es gibt Begierde – und es gibt Liebe. Und ich glaube nicht, dass du den Unterschied kennst.«
Er sagte nichts darauf. Esme hielt mühsam die Tränen zurück. Warum wollte er nicht verstehen, dass ihre Liebe keine Zukunft hatte? Sie konnte den Mann, der den Tod ihres Ehemannes verschuldet hatte, nicht heiraten. Der Skandal würde nie verstummen, und Esme durfte nicht riskieren, dass ihr Kind darunter leiden musste.
Sebastian kam zu ihr und hob sie auf seine Arme.
»Du wirst dir noch deine starken Gärtnermuskeln ausrenken«, flüsterte sie und barg ihr Gesicht an seinem Hemd.
»Nein«, erwiderte er und trug sie zum Bett. »Ich meine, dass wir nun lange genug geredet haben, Liebste. Und die Nacht liegt noch vor uns.«
Esme spürte, wie ihr der Atem stockte. Doch Sebastian war auf dem Gebiet der Verführung ebenso methodisch wie auf allen anderen Gebieten. Er löschte die Kerzen und schürte das Feuer, bevor er zu ihr ins Bett kam.
Sie betrachtete seine Beine und versuchte sich zu erinnern, ob er im letzten Sommer, bevor er Gärtner wurde, schon ebenso muskulös gewesen war. Sie glaubte es nicht. Sicher, auch damals war er schon kräftig gewesen, doch da bestand ein Unterschied.
»Oh, Sebastian!«, stieß sie voll schmerzlichen Verlangens hervor.
Gemächlich machte er sich daran, die letzte Kerze zu löschen. Der Widerschein des Kaminfeuers spiegelte sich auf seinem Rücken. Er musste wohl öfters mit freiem Oberkörper gearbeitet haben, denn sein Rücken war bis zur Taille
Weitere Kostenlose Bücher