Keine Lady ohne Tadel
einen Wettstreit zu treten.«
Sie zog ironisch einen Mundwinkel hoch. Sie war kein naives Ding, über das er nach Belieben verfügen konnte. »Ich werde darüber nachdenken«, verkündete sie hoheitsvoll. »Wissen Sie, ich kann eigentlich nicht verstehen, warum Helene Sie erwählt hat. Sie als nüchterner Abgeordneter scheinen dazu doch denkbar ungeeignet.«
»Fällt dir denn gar kein Grund ein?« Die Frage schwebte im Raum.
»Möglicherweise liegt es an Ihrer Stimme«, gestand sie schließlich.
Stephen frohlockte innerlich. Bea gefiel seine Stimme! Er ging wieder auf sie zu und sprach mit seiner tiefen, tragenden Stimme, mit der er bislang opponierende Politiker eingefangen hatte, aber noch keine Frau. »Ich werde wohl hoffen müssen, dass meine Stimme wirksam genug ist, damit du in den Wahlkampf einsteigst.«
Sie starrte ihn wieder mit diesem dunklen Blick an. Er hob ihr Kinn an und las in ihren Augen die Erwartung, geküsst zu werden. Stattdessen küsste er ihre Hand. »Lady Bea«, sagte er, »ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
Damit hatte er sie überrascht. Stephen bezweifelte, dass jemals ein Mann von Lady Beatrix gegangen war, ohne von ihr noch die eine oder andere Gunst zu erbitten. Er warf sich sein Jackett über die Schulter und schritt zur Tür. Dabei merkte er, dass er unwillkürlich stolzierte, ein Gang, der ihm so wenig ähnlich sah, dass er beinahe in Lachen ausgebrochen wäre.
»Stephen?« Ihre Stimme war kaum mehr als das Flüstern des Nachtwindes.
Natürlich blieb er stehen. Ob es ihr bewusst war oder nicht: Sie war eine Sirene, und er würde ihr überallhin folgen.
»Sind Sie sicher, dass Sie es auch wert sind? Dass gleich zwei Frauen um Ihre Aufmerksamkeit buhlen?«
Sein Lächeln war stolz wie das eines Sultans. »Daran hege ich keinerlei Zweifel, Bea. Für mich besteht die wahre Frage darin, welche der beiden mich für sich gewinnen wird.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich jedenfalls nicht. Ich pflege nicht um Männer zu werben.«
»Schade«, äußerte er und wandte sich zum Gehen.
Fassungslos starrte Bea die Tür an, die sich hinter Stephen geschlossen hatte. Seit Ned hatte es kein Mann gewagt, sie einfach so stehen zu lassen. Im Grunde fand Bea ihre Rolle recht simpel: Sie machte sich schön, und die Männer kamen zu ihr.
Stephen machte sie rasend, reizte sie jedoch auch. Aber Bea wollte verdammt sein, wenn sie sich je einem Mann an den Hals warf. Sie mochte zwar Liebhaber genommen haben – beileibe nicht so viele, wie Stephen anscheinend glaubte –, aber seit Ned hatte sie keinen Mann mehr glauben lassen, dass sie sich verzweifelt nach ihm sehnte. Denn sie kannte die Sehnsucht nicht. Sie genoss die Gesellschaft von Männern, mehr war es nicht.
Und wenn Mr Fairfax-Lacy auf eine Zurschaustellung ihrer Gefühle aus war, dann würde er bitter enttäuscht werden.
* Pyramids: Snooker-ähnliche Form des Billardspiels, jedoch nur mit fünfzehn roten Kugeln. Die Spieler können, ohne eine Tasche anzusagen, auf ihre Treffer wetten. Bei zwei Spielern ist die Partie nach den ersten acht Treffern eines Spielers beendet. (Anm. d. Übers.)
18
Die Neugier grassiert
Rees Holland, der Earl of Godwin, war hundsmiserabler Laune, wie sein Butler Leke im Dienstbotentrakt verkündete. »Hat einen merkwürdigen Brief von seiner Frau gekriegt«, berichtete er.
Rosy, Hausmädchen und Lekes Nichte, schnappte nach Luft. »An meinem letzten freien Tag hab ich eine Pantomime gesehen, wo der Ehemann einen Liebesbrief vergiftet hat, und als seine Frau den Brief geküsst hat, ist sie gestorben. Vielleicht hat die Gräfin diese Pantomime auch gesehen, und jetzt hat sie ihn vergiftet!«
»Er verdient es ja auch«, brummte Leke. Er hielt den Earl für einen schwierigen Arbeitgeber, und zudem gefiel ihm die laxe Haushaltsführung nicht. Einerseits war sein Herr ein Aristokrat, und das gefiel ihm. Andererseits besaß der Mann einen niederträchtigen Charakter und beherbergte obendrein in den Gemächern der Gräfin eine Dirne.
»Im Übrigen gibt’s da was aufzuwischen, du solltest dich also gleich dranmachen.«
»Jetzt sag nicht, dass er schon wieder Kaffee auf seine ganzen Papiere verschüttet hat«, murrte Rosy mit finsterer Miene. »Wenn er diese Papiere nicht bald aufräumt, dann such ich mir eine andere Stellung. Wie soll ich denn sauber machen, wenn ich bis zu den Knöcheln in Schmutz stehe?«
»Rühr seine Papiere bloß nicht an!«, warnte Leke. »Dann geht es dir an den Kragen. Außerdem ist es
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