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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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Kommissar.
    |156| »Oh, er war kein einfacher Fischer. Er hatte viel gelesen. Und er tat es immer noch«, sagte Olga.
    Marco Luciani las den letzten Satz: »Jetzt verabschiede ich mich von Ihnen, Commissario. Ich zähle auf Sie, auf einen ehrlichen
     Schiedsrichter, damit am Ende die Gerechtigkeit siegt.
    Giuseppe ›Marietto‹ Risso
    PS: Und wenn der Herr mir verzeiht, werde ich Ihren Vater grüßen.«
     
    Marco Luciani las noch einmal den ersten Satz. »… ich mich der Verhaftung entziehe … meine Stunde endlich gekommen ist.« Dann
     las er wieder den letzten: »Und wenn der Herr mir verzeiht …« Der klassische Abschiedsbrief eines Selbstmörders, der um Vergebung
     bittet für das, was er zu tun gedenkt. Aber auch der Brief eines Mannes, der Angst hat, vielleicht vor seiner eigenen Vergangenheit.
     Vor einer wirklichen oder eingebildeten Bedrohung, die ihn lieber in den Tod als womöglich noch einmal, warum auch immer,
     ins Gefängnis gehen ließ.
    »Signora Olga, ich danke Ihnen. Dies ist ein äußerst wichtiges Indiz«, sagte er und schob den Brief in die Jackentasche.
    Die Frau nahm seine Hände und schloss die Augen. »Sie werden ihn finden, Signor Commissario. Sie sind fähig, und aufrichtig.
     Ich spüre, dass Sie seinen Mörder finden werden.«
     
    Er stieg ins Auto und fuhr nach Hause. Als er dort ankam, war die Pappe der Tiefkühlware fast durchgeweicht. Sollte er sie
     als aufgetaut betrachten und sofort essen? Oder konnte man sie noch einmal einfrieren? Er entschied sich für die zweite Option,
     streckte sich mehr schlecht als recht auf dem Sofa aus und schloss die Augen in der Hoffnung auf ein bisschen Ruhe vor den
     Kopfschmerzen.

|157| Fünfundzwanzig
    Sabrina
    Ventotene, acht Monate zuvor
     
    »Und dieses Foto? Das ist wirklich wunderschön.«
    Salvatore Fierro nickte. »Ja, da muss hinten auch das Jahr draufstehen. Lassen Sie mal sehen … Ich war nur ein kleiner Steppke,
     aber ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als sie diesen Schwertfisch fingen. Schauen Sie mal, was das für ein Kaventsmann
     war, der war fast so lang wie ein Boot.«
    Sabrina Dongo saß am Wohnzimmertisch der Familie Fierro. Sie hatte sich als Journalistin der RAI vorgestellt, die für eine
     Reportage über die Insel Ventotene recherchierte, vor allem über ihre Geschichte, ihre Traditionen und ihre Bewohner. Sie
     war am Morgen mit dem ersten Tragflächenboot aus Formia gekommen, hatte eine schnelle Runde über die Kais gedreht und mit
     den zwei, drei Fischern geredet, die es noch gab. Sie hatte in ein paar Bars und kleinen Läden Fragen gestellt, und die Kunde
     von ihrer Anwesenheit hatte sich schnell herumgesprochen. Hin- und hergerissen zwischen Neugierde, Diskretion und der Lust,
     sich zu zeigen, hatten viele jeden ihrer Schritte beobachtet. Ein prächtiger Anblick war dieses Mädchen allemal. Zur Mittagszeit
     war Sabrina endlich auf Salvatore Fierro gestoßen, den Sohn von Gennaro, und sie hatte ihn schnell so weit, dass er sie nicht
     wieder aus den Klauen ließ.
    Salvatore hatte sie zum Mittagessen in das Restaurant eines Cousins eingeladen, und bei einem Teller Spaghetti mit Meeresfrüchten
     hatte er ihr sein Leben erzählt. Den Beruf des Vaters hatte er nicht übernommen, denn dank des Tourismusbooms konnte man mit
     viel weniger Mühe viel |158| mehr verdienen. Anfangs hatte er eine kleine Pension geführt und dann allmählich einen der besten Hotelbetriebe auf der Insel
     aufgebaut. Sabrina hörte ihm zu und sah ihm dabei in die Augen, als würde er ihr das Mahabharata aufsagen, und mit jedem Wimpernschlag
     blähte er sich ein bisschen mehr auf wie ein Gockel. Als das Dessert kam, brachte das Mädchen die Sprache noch einmal auf
     die schönen Traditionen vergangener Zeiten. Sie fragte, ob sein Vater zufällig ein Logbuch hinterlassen habe, Notizen oder
     vielleicht Fotos, die man in dem Fernsehbeitrag verwenden konnte.
    Salvatore rührte die Vorstellung, dass eine Journalistin das Leben seines Vaters für wichtig erachtete, eines armen Fischers,
     der sich jahrelang abgerackert und seine Haut auf dem Meer riskiert hatte, ehe er wie ein Hund abgeknallt worden war, aus
     Gründen, die keiner in der Familie je verstanden hatte. Er hatte sie auf einen Kaffee zu sich nach Hause eingeladen, und nun
     ging Sabrina minutiös den ersten der beiden Schuhkartons durch, in denen die Erinnerungen von Gennaro Fierro aufbewahrt waren.
     Da waren die Fotos von der Hochzeit seiner Eltern, von seiner

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