Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)
er noch durch. Für einen Moment entspannte sie sich. Schloss die Augen.
»Hey …«
Fuck. Sie war eingeschlafen, hatte den Weißwein aber immerhin noch abgestellt. Er saß neben ihr, das fahle Licht der Straßenlampe vorm Haus fiel auf sein Gesicht. Das Sofa stand direkt vor dem Fenster.
»Sorry.« Er hatte zart ihr Gesicht gestreichelt und jetzt schnell die Hand zurückgezogen. Sie schüttelte den Kopf, lächelte und holte seine Hand wieder zurück. Es war so auch mal ganz schön, fand sie. Und von ihm war nichts anderes zu erwarten.
Er streichelte sie weiter, sie machte ein liebes Gesicht und näherte langsam ihren Mund dem seinen. Er schloss die Augen. Sie sah ihn an. Er war eigentlich hübsch. Ein gut aussehender, normaler junger Typ. Sensibel, aber kein Weichei. Bereit, Verantwortung für eine Frau zu übernehmen. Absolut nicht ihre Liga, aber dafür easy zu handhaben. Sie küsste ihn.
Er seufzte. Erwiderte den Kuss.
Nicht schlecht. Er küsste echt nicht schlecht. Der Neandertaler hatte fraglos ziemliche Qualitäten als Lover, aber küssen konnte er nur hart und nass. Sie wollte gerade die Augen schließen, sich ein bisschen treiben lassen. Wie es weitergehen würde, hatte sie ja eh schon beschlossen, also könnte sie es auch so weit als möglich genießen.
Plötzlich war da ein Schatten auf dem Gerüst. Sie küsste Merten intensiver, legte ihre Hand auf seinen Schenkel und beobachtete aus dem Augenwinkel das Fenster.
Der Schatten schob sich von der Seite ins Bild. Ein Gesicht, durch das Licht von hinten nicht zu erkennen.
Sie öffnete ihren Mund weit, ließ Merten ihre Zunge spüren, die Hand unter sein Shirt gleiten. Merten stöhnte leise.
Wer war das?
Und dann erkannte sie ihn.
Sein hübsches böses Gesicht. Der Mund weit offen, die Augen aufgerissen, starrte er sie an. Er verdrehte die Augen, seine Zunge war weit rausgestreckt, und er gab die obszöne Parodie eines Kusses.
Verdammter Vollidiot. Sie starrte ihn an und küsste weiter Merten. Er sollte doch …
Der Neandertaler ging in eine Ein-Mann-Pantomime über, sein Becken schob sich vor und zurück, die Zunge immer noch eklig weit rausgestreckt.
Arschloch.
»Du …«
Mist. Sie hatte aufgehört, Merten zu küssen. Sie sah ihn an, nahm seinen Kopf in die Hände.
»Was denn, mein Süßer.«
Merten hatte feuchte Augen.
»Ich weiß nicht. Das ist …«
Sie legte einen Finger auf seine Lippen.
»Schschh.« Dann setzte sie sich mit angezogenen Beinen auf seinen Schoß.
Der Neandertaler verzerrte sein Gesicht zu einer Pornofratze und machte weiter Fickbewegungen. Sie verdrehte die Augen über den Arsch, als Merten sein Gesicht an ihre Brüste drückte und sie fest umarmte.
Sie lehnte sich zurück, nahm wieder Mertens Kopf und sah ihn an. Dann knöpfte sie ihre Bluse auf, streifte sie ab. Zog das Top über den Kopf. Mertens Mund stand offen.
Sie legte die Arme um seinen Nacken und bot ihm ihre Brüste dar.
Als sie Mertens Küsse auf ihnen spürte, hätte sie sich gerne gehen lassen, aber der Neandertaler machte keine Anstalten, das zu tun, was er tun sollte. Sie produzierte ein lautes Stöhnen und rekelte sich wohlig auf Mertens Schoß, dabei starrte sie ihren Vollidiotenpartner wütend an.
Der grinste. Griff in die Tasche. Und zog den Fotoapparat raus.
Na endlich. Wurde auch Zeit. Sie wollte loslegen.
8
E r saß hinter einer niedrigen Eibe, völlig im Dunkeln. Sah durch das riesige Fenster hinter dem Pool ins Wohnzimmer. Also, es hieß bei dem Bewohner wahrscheinlich Wohnzimmer, normale Menschen hätten daraus ein Appartement für vier Personen gemacht.
Aber der Mann, dem dieses Haus gehörte, war kein normaler Mensch. Hatte es nie sein wollen.
Ebenso wie er selbst.
Sie kannten sich schon eine Ewigkeit. Ein ganzes Leben würde man bei normalen Leuten sagen, aber bei ihnen beiden waren es in Wirklichkeit viele Leben.
Vor allem bei ihm selbst.
Der Mann, den er beobachtete, wusste entweder nicht, dass er noch lebte, oder aber er wusste sogar, dass er gerade in seinem Garten hinter der Eibe saß und ihm zuschaute, wie er einer blutjungen Frau Wein eingoss.
Bei dem Mann im Haus war alles möglich. Zu wissen, wo jemand war und was er dort tat, und ihn über dieses Wissen im Unklaren zu lassen – das hatte er über viele Jahre zur Perfektion gebracht. Es war Teil seines Berufes genauso wie Teil seiner Persönlichkeit geworden. Er war ein grauer Mann mit einem nichtssagenden Büro, aber er hatte in seinem Leben Dinge getan, die den
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