Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Keine Vergebung: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Weber
Vom Netzwerk:
Sich zu berauschen, sich mit jedem Rausch dem Tod näher zu bringen. Das war Schwäche aus Odhan Celiks Sicht. Aber es war menschlich und legitim. Wenn jemand aus seinem Leben nicht mehr zu machen gewillt war, dann war das eben sein Weg.
    Gewalt ausüben, sich mit Hilfe von Waffen etwas verschaffen, was man haben wollte, einem anderen mit Waffen seinen Willen aufzwingen. Jemanden töten. Das gehörte zur menschlichen Natur. Es war völlig naiv, so zu tun, als wäre das »das Böse«. Moderne Gesellschaften hatten sich darauf geeinigt, solche Verhaltensweisen als randständig zu brandmarken, für gesetzwidrig zu erklären. Sie einzudämmen. Und Odhan Celik fand das völlig in Ordnung. Die meisten Menschen konnten mit diesem Teil ihres Seins überhaupt nicht umgehen. Würden zerbrechen, wenn sie so lebten.
    Außerdem entwickelten sich gewalttätige Gesellschaften viel langsamer als friedfertige. Das konnte man an seiner Heimat sehen. Zu Hause hatten sie allerdings auch immer noch Probleme, die man nicht friedlich lösen konnte.
    Aber nach außen ließen sich alle türkischen Regierungen immer noch Fesseln anlegen. Zeigten nicht die Krallen. Die Reißzähne des türkischen Wolfes.
    Odhan Celik glaubte an Macht. Und an Geld. Seit Aydan und den Kindern glaubte er auch an die Liebe.
    Aber wenn man ihn fragte, wovon er träumte, dann gab es nur eines: von der alles überstrahlenden Größe der türkischen Nation.
    Und da war wieder das Wundersame am Leben und an der menschlichen Natur. Dass ausgerechnet ein deutscher Nazi ihn in diesem Punkt völlig verstand und er diesen Nazi.
    Odhan Celik lächelte. Schüttelte den Kopf. Klopfte Can auf die Schulter.
    »Fahr mich nach Hause. Ich mache für heute Schluss.«
    Der Alte auf der Parkbank griff in die Tasche seines Jacketts und entnahm ihr eine kleine Blechdose mit Grether’s Blackcurrant. Er bot dem Jüngeren davon an.
    »Das Beste bei trockenem Hals. Natürlich außer einem Schluck Wasser.« Er lachte rau und nahm sich dann selbst eine der weichen Pastillen. Behielt die Dose in beiden Händen. Lutschte das Bonbon. Schloss die Augen.
    »Jäger«, er seufzte, »war ein hochinteressanter Mann. Sein Vater ist ein richtiger Nazi gewesen. Waffen- SS . Hauptsturmführer. Ostfront. Ritterkreuz. Dann Nachrichtendienst. SD . Wurde 44 von den Amis in der Normandie gekascht. Der OSS hat hin ausgequetscht, und später wollte Gehlen ihn wieder reaktivieren. Kommunisten jagen und so weiter, Sie kennen die ollen Kamellen.« Der Alte lachte und verschluckte sich dabei. Er hustete, machte Gesten, der Junge solle ihm auf den Rücken klopfen. Beruhigte sich wieder.
    »Aber der alte Jäger hatte einen riesigen Hass auf die Demokratie. Weigerte sich. Blieb lieber verbittert zu Hause hocken und soff. Na ja. Und der Sohn lief erst mal in der üblichen Spur der siebziger Jahre. Mein Nazipapa, die Sau. Schmiss die Schule, gammelte rum. Landete in so einer Landkommune, auf einer Ritterburg im Kaiserstuhl. Die waren sogar gut organisiert, hatten so ein Konzept. Hofladen, Bäckerei, Wirtshaus. Und Jäger war da Koch. Koch . Stellen Sie sich das mal vor.« Er lachte wieder, und der Jüngere befürchtete schon, er würde sich wieder verschlucken.
    »Tja … alles schön in der bunten Hippiewelt. Nur blöd, wenn man nie die Post öffnet. Vor allem keine Einschreiben. Sie ungelesen wegschmeißt. Dann kommt nämlich womöglich irgendwann die Polizei mit einer Feldjägerstreife und nimmt einen mit in die Kaserne, in der man seit vier Wochen Dienst schieben sollte.« Der Alte schloss die Augen, kicherte. »Jäger hat in den ersten Tagen natürlich voll die Verweigerernummer durchgezogen. Sofort den KDV -Antrag gestellt. Sich gegen alles Mögliche gesperrt und ist in seiner dritten Woche dann schon in den Bau gewandert, wegen fortgesetzter Befehlsverweigerung. Aber das Leben ist ein böser Clown. Der Spieß von Jägers Kompanie war als junger Kerl in der Waffen- SS gewesen. Und wer war dort sein Kompaniechef? Richtig.«
    Der Alte sah auf die Blechdose in seinen Händen. Öffnete sie und nahm sich noch ein Bonbon. Bot dem anderen die Dose, der schüttelte den Kopf.
    »Der alte Kämpfer begriff schnell, wer der junge Kerl war, er sieht seinem Vater auch brutal ähnlich, und machte es sich also zur Aufgabe, an das Gute im Hippie zu appellieren. War clever genug, seine Geschichte nicht zu erzählen. Kriegte es tatsächlich hin, dass der Junge sich entschloss, einfach die Monate abzureißen, es als Erfahrung zu

Weitere Kostenlose Bücher