Keine Zeit für Vampire
drohen?«, fragte Fran halb fassungslos, halb belustigt.
»Jawohl, das will ich«, erwiderte ich und reckte kühn das Kinn. Die beiden sollten sich bloß nicht erdreisten, über mich zu lachen. »Dein Vater war so aufgeregt und hat sich so sehr darauf gefreut, dich wiederzusehen, und dann wirfst du ihm derart gemeine Dinge an den Kopf. Nach all dem, was er durchgemacht hat. Also, ich finde, du verdienst ein paar hinter die Ohren!«
Nikola packte seufzend sein Notizbuch weg. »Nun rege dich doch nicht so auf, Io. Du hast mir doch erzählt, dass Benedikt die Wahrheit über meinen Tod vorenthalten wurde. Seine überzogene Reaktion ist doch ganz offensichtlich auf die Lügengeschichten zurückzuführen, die Imogen ihm erzählt hat.«
»Ich habe ihm in keiner Weise die Unwahrheit erzählt«, beteuerte Imogen gedehnt. Plötzlich schien sie auf der Hut zu sein.
»Oh doch, das hast du wohl. Du hast Ben weisgemacht, dass sein Vater quicklebendig wäre und es sich in Rio oder sonst wo gut gehen lassen würde. Offenbar wolltest du ihm die schreckliche Gewissheit, dass Nikola von euren Onkeln ermordet wurde, ersparen. Das kann man dir nicht verübeln, obwohl ich der Ansicht bin, dass Ben mit seinen siebzehn Jahren durchaus mit dieser Tatsache hätte fertig werden können. Du scheinst das offenbar anders gesehen zu haben …«
»Nein, Io, so war das nicht«, fiel mir Imogen ins Wort und stellte sich neben Ben. »Ich habe Benedikt nicht angelogen … sondern dich. Als ich dir erzählt habe, dass mein Vater in jener Nacht vor über dreihundert Jahren gestorben wäre, meinte ich das mehr im übertragenen als im wortwörtlichen Sinn.«
Mir klappte die Kinnlade herunter. Was soll das denn bitte heißen?
Ich weiß es nicht. Nikola steckte sein Notizheft ein und musterte Imogen fragend. Mir scheint, es ist etwas vorgefallen, von dem wir nichts wissen .
»Verflixt noch mal, ich wusste doch, dass etwas Schreckliches mit der Zukunft passieren würde, wenn ich dich mit zurückbringe.«
»Wovon redest du bitte … ah, da seid ihr ja«, wandte sich Imogen an die beiden Männer, die Nikola vorhin kampfunfähig gemacht hatte. Beide sahen so aus, als würden sie sich nur zu gern mit ihm anlegen.
Das können sie ruhig versuchen, meinte Nikola belustigt.
»Was habt ihr da hinten getrieben?«, fragte Imogen den Mann, der fest seine Axt umklammerte und Nikola dabei bitterböse ansah. »Ihr hättet uns helfen sollen. Stattdessen hat mein Vater die Untoten erledigt.«
»Dein Vater?«, fragte der Mann, und seine Miene entspannte sich. »Der, der in Brasilien Frauen begrapscht?«
»Na ja, immer noch besser, als wenn die Echsen die Weltherrschaft übernommen hätten«, sagte ich zu Nikola. »Auch wenn es nicht gerade schön ist, dass scheinbar wirklich jeder dich für einen Lustmolch hält.«
»Lust …« Nikola hatte schon wieder sein Schreibbuch in der Hand.
»Genau der. Und das hier ist Io. Sie ist die Cousine einer Freundin von mir. Und … ähm … sie ist offenbar irgendwie mit meinem Vater bekannt.«
Ich spürte, wie ich ein wenig rot wurde, und hüstelte verlegen. »Wir … Also …«
»Io ist meine Geliebte«, verkündete Nikola und legte den Arm um mich. »Sie ist zu einer Menge Dinge fähig, die mir so große Lust bereiten, wie ich sie seit dem Tod deiner Mutter nicht mehr erlebt habe. Ich werde allerdings nicht ins Detail gehen, denn für ein unschuldiges Mädchen wie dich schickt es sich nicht, über derartige Dinge Bescheid zu wissen. Wie auch immer, du musst dir jedenfalls keine Sorgen mehr machen, dass ich einsam wäre. Io hat eingewilligt, ihr Leben mit mir zu verbringen. Wir suchen gerade nach einer Möglichkeit, wie wir sie zu einer Mährin machen können, ohne dass sie ihre Seele verliert, denn seelenlos möchte sie nicht sein. Ich habe ihr zwar versichert, dass das gar nicht so schlimm ist, doch in diesem Punkt ist sie unerbittlich, und ich muss ihre Wünsche respektieren.«
Die anderen starrten uns an, als hätten wir gerade angefangen, splitternackt Cancan zu tanzen.
Dann beugte sich Ben zu meiner großen Verblüffung zu mir herüber und schnüffelte. Seine Miene nahm einen schwer zu definierenden Ausdruck an.
»Sie ist was?«, kreischte Fran beinahe.
»Man bemerkt es zwar kaum, aber es ist da«, antwortete Ben und musterte mich merkwürdig. »Sie ist ganz offensichtlich eine Auserwählte.«
»Also, ich finde zwar, dass Nikola euch das mit unserer Beziehung auch etwas angemessener hätte eröffnen können,
Weitere Kostenlose Bücher