Keine Zeit für Vampire
meine Stimme dabei ein wenig erhoben, aber das rechtfertigte noch lange nicht, wie Nikola plötzlich in Aktion trat und alle Anwesenden aus dem Zimmer warf.
»Lasst uns allein!«, brüllte er und wies gebieterisch zur Tür.
Zu meiner Verblüffung gehorchten alle aufs Wort, und Imogen warf mir im Hinausgehen einen durchdringenden Blick zu. Sie war zwar Gretls Freundin, doch offenbar nicht meine.
Trotzdem hätte sie mir netterweise ihr Handy zur Verfügung stellen können.
»Und nun wirst du erklären, was für ein Spiel du da spielst«, verlangte Nikola.
Seine Augen jagten mir eine Gänsehaut ein. Sie waren wie die Augen eines weißen Wolfs – blass und eisblau mit einer von einem schwarzen Ring umgebenen Iris. Diese Augen, das schwarze Haar und das Gesicht, das auch gut in ein Modemagazin gepasst hätte, bildeten eine verführerische Kombination, der ich allerdings zu widerstehen gedachte.
Ich war momentan nicht zu haben. Auch wenn er schon älter war und höchstwahrscheinlich seine Persönlichkeitsprobleme im Griff hatte, war ich nicht interessiert. Und ganz besonders wollte ich keinen Kerl, der aussah wie Nikola – ich kannte Männer, die sich für ein Geschenk Gottes an die Menschheit hielten. Mit solchen Typen konnte ich ganz und gar nichts anfangen.
»Ich spiele keine Spielchen, zumindest nicht solche, wie du meinst«, erklärte ich würdevoll. »Du hast bestimmt mit eurer Party, dem Kostümspiel oder Sektentreffen oder was immer ihr hier auch veranstaltet genug um die Ohren. Darum möchte ich euch auch nicht länger belästigen. Ich würde jetzt gern meine Cousine anrufen. Da es hier anscheinend kein Telefon gibt, werde ich mich wohl zu dem nächstbesten auf den Weg machen müssen.«
»Wer hat dir verraten, dass ich ein Dunkler bin?«
»Niemand hat mir etwas verraten … Moment mal. Ein Dunkler? Ein Vampir?« Ich starrte ihn entgeistert an. Hatte ich womöglich meinen Verstand verloren? »Du hältst dich ebenfalls für einen Vampir? So wie Benedikt?«
»Du wirst mir auf der Stelle sagen, was du über meinen Sohn weißt!«, polterte er und schritt auf mich zu. »Du wirst mir verraten, wie du von dem Fluch erfahren hast.«
»So, werde ich das?« Wie er da so im Kerzenlicht stand, sah er schon wirklich verdammt gut aus. Auch er trug ein Kostüm – ein Kostüm ! Er war verkleidet! Erleichtert ließ ich mich wieder aufs Bett plumpsen, und alle Anspannung fiel schlagartig von mir ab, als ich begriff, dass ich auf einer Kostümparty gelandet sein musste. Entweder das, oder die Kostümierten gehörten einer lokalen Theatergruppe an. »Was für ein Fluch soll das sein?«
Der, der mein Leben in eine Hölle verwandelt hat .
Beim Klang der Stimme in meinem Kopf richtete ich mich kerzengerade auf. Seit wann spielte mir mein Verstand Streiche? Ich hatte mir den Kopf wohl doch heftiger gestoßen als gedacht. Na toll, jetzt musste ich mir auch noch einen Arzt suchen, der sich um die Stimmen in meinem Kopf kümmerte.
»Tu nicht so unschuldig, Weib. Damit kommst du bei mir nicht durch. War es Rolf? Oder Arnulf? Haben die beiden dir erzählt, was mir widerfahren ist?«
»Ich kenne weder einen Arnold noch einen Ralph. Somit ist meine Antwort ein eindeutiges Nein.« Er kam auf mich zu. Ich behielt ihn genau im Auge, und diverse Alarmglocken begannen in meinem Kopf zu schrillen, und das nicht nur, weil der Mann sich wie ein Panther bewegte, der sich auf seine ahnungslose Beute stürzt.
Er war zwar nicht sehr viel größer als ich, doch er hatte einen breiten Brustkorb und ebensolche Schultern. Das war selbst in seinem schrillen Kostüm unübersehbar. Er trug das dunkel gelockte Haar im Nacken lang – glücklicherweise nicht als Vokuhila, aber doch lang genug, um es zu einem kurzen Pferdeschwanz zu binden. Er hatte ein markantes Gesicht mit einer langen, geraden Nase und einem Kinn, von dem mir ein bisschen die Knie weich wurden, und seine Augen … ach, diese Augen. Da Imogen schätzungsweise etwa vierzig war, musste er eigentlich um die sechzig sein. Er sah allerdings ganz und gar nicht so aus. Ich schüttelte den Kopf über meine wirren Gedankengänge. Dieser Nikola hatte eine Ausstrahlung, die weit über gewöhnlichen Sex-Appeal hinausging.
Bei dem Gedanken wurde mir ganz warm und sexy zumute, und das mit einer Intensität, die mich selbst verblüffte. »Na toll, wahrscheinlich habe ich mir einen ernsthaften Gehirnschaden zugezogen, als ich … als ich …« Ich rieb mir die Augen und versuchte angestrengt,
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