Keine Zeit für Vampire
zuerst die Skizze und dann sein Gesicht. War er ernsthaft sauer?
Seine Augen waren nachtblau.
»Oh«, hauchte ich und schaffte es gerade noch, den Bogen wieder auf den Tisch zu legen, bevor ich mich auf dem Rücken liegend vor dem Kamin wiederfand. Die beiden Katzen sausten mit empörter Miene davon. »Nikola, ich will nicht mit dir schlafen.«
Da sagt dein Körper aber etwas anderes.
»Für die Handlungen meines Körpers bin ich nicht verantwortlich«, erwiderte ich. Mein Atem ging schwer und schnell. Nikola zog sich gerade sein Halstuch und Jackett aus, hielt bei dieser Aussage aber inne. Der Ausdruck, mit dem er mich ansah, ließ mich zusammenzucken. »Das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt, oder?«
»Doch.« Er zog sich weiter aus, bis er nur noch Hose und Strümpfe trug. »Aber ich finde deine verschrobene Art zu denken ziemlich amüsant. Du bist anders als jede Frau, die ich bisher kennengelernt habe.«
»Ich werde das einmal als Kompliment auffassen, weil … na ja, weil es wie ein Kompliment klingt.«
»So war es auch gemeint. Da dein Körper mich physisch begehrt, würde es dir etwas ausmachen, wenn ich ihn etwas verwöhne? Ich garantiere auch höchstes Lustempfinden.«
»Ja, es macht mir etwas aus. Ich will wirklich nicht mit dir schlafen, Nikola.«
Er legte den Kopf schief und sah dabei schon wieder so dermaßen zum Anbeißen aus, dass ich ihm am liebsten eine verpasst hätte. »Warum?«
Ich nahm mir einen Augenblick Zeit, um meine Worte mit Bedacht zu wählen, was nicht gerade dadurch leichter wurde, dass ich andauernd vom Anblick seines nackten Oberkörpers und seiner Arme abgelenkt wurde. Beinahe hätte ich all meine Skrupel über Bord geworfen und ihn besprungen. »Ich habe es dir erklärt – ich muss einen Mann erst eine Weile kennen, ehe ich mit ihm ins Bett gehe.«
»Was mich angeht, liegen die Dinge jedoch anders«, hielt er mir entgegen. Verfluchter, sexy Nikola. »Dich verlangt nach mir. Ich spüre die Macht dieses Verlangens, das meinem nach dir in keiner Weise nachsteht. Was wäre so verkehrt daran, zuzulassen, dass sich diese beiden Kräfte verbinden?«
Ich lag auf dem Rücken und das Feuer wärmte meine Seite (in der Burg war es ansonsten recht kalt, obwohl wir Sommer hatten, wahrscheinlich wegen der dicken Steinmauern). Über mir lag ein noch wärmerer Mann. Ich spürte, dass er jedes seiner Worte aufrichtig meinte. Er fand mich begehrenswert, und seine Fantasien waren erotischer als alles, was ich mir jemals hätte ausmalen können. Außerdem befand ich mich in einer anderen Zeit, aus der ich vielleicht schon in wenigen Stunden wieder in meine eigene zurückkehren würde, wodurch jede körperliche Beziehung, auf die ich mich hier einließe, völlig unverbindlich und frei von emotionalen Verstrickungen sein würde.
Kurz gesagt: Wenn ich wollte, konnte ich ohne Konsequenzen in die Vollen gehen.
»Ich kann nicht, denn ich habe Angst, dass mir ein Mal nicht genügen wird«, gestand ich ihm zögerlich ein.
»Wer sagt denn, dass es nur ein Mal sein muss?« Er folgte mit den Fingern dem Umriss meines Schlüsselbeins. Ich bäumte mich seiner Hand entgegen.
»Nikola, ich kann hier nicht bleiben. Wer weiß, welche schrecklichen Auswirkungen mein Aufenthalt schon jetzt auf die Zukunft hat. Wenn ich noch länger bleibe, riskiere ich einen Haufen Probleme.«
Er beugte sich über mich. Seine Hände lagen neben meinem Kopf. Seine Augen, diese superpraktischen Stimmungsbarometer, hatten die Farbe des Sommerhimmels angenommen. »Was, wenn ich dich bäte, bei mir zu bleiben? Würdest du das tun? Würdest du deine Zeit für mich aufgeben?«
Zum Glück für meinen inneren Frieden wurde ich nicht gezwungen, die Frage zu beantworten – wer weiß, was ich sonst darauf erwidert hätte, denn ehrlich gesagt setzte schon seine bloße Anwesenheit meinen gesunden Menschenverstand völlig außer Gefecht –, denn just in dem Moment flog die Tür auf und eine völlig aufgelöste Imogen kam hereingestürmt, begleitet von einem ungestümen Wortschwall.
»… und ich habe keine Ahnung, was sie hier wollen, denn normalerweise kommen sie nie vor Dezember, und jetzt wird genau das passieren, was Io prophezeit hat, und das, obwohl ich Angst vor Eidechsen habe und ich auf keinen Fall will, dass sie die Erde regieren, aber schließlich weiß nur Io, wann und wo genau es passieren wird, demnach kann also nur sie … oh!«
Imogens Blick wanderte von ihrem halb nackten, über mir kauernden Vater zu mir, die
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