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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Achseln. »Dass FBI-Agent Jerry Camp erschossen wurde, war ein Unfall.«
    »Ihr Boss hat Sie morgens um sechs in sein Büro bestellt, um Ihnen das zu sagen?«
    »Ja.«
    »Hoppla.«

    »Er hat den Fall nicht nur persönlich bearbeitet, er war auch mit dem Opfer befreundet.«
    Regan schüttelte den Kopf. »Heißt das, Rachel Mills hat einflussreiche Freunde?«
    »Absolut nicht. Wenn Sie sie für den Mord oder die Entführung Seidmans drankriegen können, dann nur zu.«
    »Aber der Tod von Jerry Camp bleibt außen vor.«
    »Genau.«
    Jemand rief etwas. Sie schauten zu ihm hinüber. Im Nachbargarten hatte eine Pistole gelegen. Sie rochen kurz dran und stellten fest, dass sie vor kurzem abgefeuert worden war.
    »Wie praktisch«, meinte Regan.
    »Kann man so sagen.«
    »Irgendwelche Ideen?«
    »Nein.« Tickner sah ihn an. »Ist Ihr Fall, Bob. War schon immer Ihrer. Viel Glück.«
    »Danke.«
    Tickner machte sich auf den Weg.
    »Hey, Lloyd?«, rief Regan ihm nach.
    Tickner blieb stehen. Vorsichtig wurde die Pistole eingepackt. Regan starrte erst sie, dann die Leiche zu seinen Füßen an.
    »Wir haben immer noch keine Ahnung, was hier abgeht, oder?«
    Tickner ging zu seinem Wagen. »Nicht die Bohne.«

    Katarina hatte die Hände im Schoß gefaltet. »Ist er wirklich tot?«
    »Ja«, sagte Rachel.
    Verne stand mit verschränkten Armen da und schäumte vor Wut. Und zwar, seit ich erzählt hatte, dass Perry das Kind war, das ich im Honda Accord gesehen hatte.
    »Er heißt Pavel. Er war mein Bruder.«

    Wir warteten darauf, dass sie weitersprach.
    »Er war kein guter Mensch. Das weiß ich schon lange. Er konnte grausam sein. Im Kosovo wird man so. Aber ein Baby entführen?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Was ist passiert?«, fragte Rachel.
    Aber sie sah ihren Mann an. »Verne?«
    Er reagierte nicht.
    »Ich habe dich belogen, Verne. Ich habe dich in vielem belogen.«
    Er schob sich die Haare hinter die Ohren und blinzelte. Er befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. Doch er sah sie nicht an.
    »Ich komme nicht von einer Farm«, sagte sie. »Mein Vater ist gestorben, als ich drei war. Meine Mutter hat jede Arbeit gemacht, die sie kriegen konnte. Aber es hat nicht gereicht. Wir waren zu arm. Wir haben Brotreste aus dem Müll gesucht. Pavel hat auf der Straße gebettelt und gestohlen. Ich habe mit vierzehn angefangen, in Sex-Clubs zu arbeiten. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für ein Leben war, aber im Kosovo kommt man da nicht wieder raus. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mich umbringen wollte.«
    Sie hob den Kopf und wandte sich ihrem Mann zu. Aber Verne sah sie noch immer nicht an. »Sieh mich an«, sagte sie. Als er es nicht tat, beugte sie sich zu ihm. »Verne?«
    »Hier geht’s nicht um uns«, sagte er. »Erzähl ihnen einfach, was sie wissen müssen.«
    Katarina legte die Hände wieder in den Schoß. »Wenn man eine Weile so gelebt hat, denkt man nicht mehr an Flucht. Man denkt nicht mehr an schöne Dinge, Glück oder irgend so was. Man verhält sich wie ein Tier. Man jagt einfach, um zu überleben. Und ich weiß nicht mal, warum man das will. Aber eines Tages kam Pavel zu mir. Er hat gesagt, er weiß, wie ich da rauskommen kann.«

    Katarina verstummte. Rachel rückte näher an sie heran. Ich überließ ihr die Gesprächsführung. Sie hatte Erfahrung mit Verhören, und außerdem, auch wenn das jetzt sexistisch klingt, hatte ich den Eindruck, dass Katarina sich lieber von einer Frau ausquetschen ließ.
    »Wie?«, fragte Rachel.
    »Mein Bruder hat gesagt, er kann Geld besorgen und uns nach Amerika bringen, wenn ich schwanger werde.«
    Ich dachte – korrigiere: ich hoffte –, ich hätte mich verhört. Vernes Kopf fuhr herum. Diesmal war Katarina vorbereitet. Sie sah ihm fest in die Augen.
    »Das kapier ich nicht«, sagte Verne.
    »Als Prostituierte bin ich ein bisschen was wert. Aber ein Baby ist mehr wert. Wenn ich schwanger werde, würde uns jemand nach Amerika bringen. Die geben uns auch Geld.«
    Es wurde still im Zimmer. Wie von weit her, als fernes Echo hörte ich die spielenden Kinder vor dem Haus. Ich überwand als Erster meine Benommenheit und sagte: »Die bezahlen Sie …«, ich hörte Entsetzen und Unglauben in meiner Stimme, »… für das Baby?«
    »Ja.«
    Verne sagte: »Herrgott.«
    »Du kannst das nicht verstehen.«
    »Oh, ich versteh das schon«, sagte Verne. »Hast du mitgespielt?«
    »Ja.«
    Verne wandte sich ab, als hätte man ihn geohrfeigt. Seine Hand hob sich und packte den Vorhang. Er

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