Keine zweite Chance
Motel – da, wo ich auch gewohnt habe. Es ist in Union City.« Katarina blickte auf. »Sie wollen, dass diese Frau Ihnen hilft, nicht wahr?«
»Ja.«
»Dann muss ich mitkommen. Wahrscheinlich spricht sie kein Englisch.«
Ich sah Verne an. Der nickte. »Ich pass auf die Kinder auf.«
Einen Moment lang rührte sich niemand. Wir mussten unsere Kräfte sammeln, uns umstellen, als wären wir in den schwerelosen Raum eingetreten. Ich nutzte die Zeit und trat hinaus, um Zia anzurufen. Sie meldete sich nach dem ersten Klingeln und legte sofort los.
»Die Cops könnten mithören, also reden wir besser nicht zu lange«, sagte sie.
»Okay.«
»Unser Freund Detective Regan hat bei mir reingeschaut. Er meinte, du hättest wohl mit meinem Wagen das Krankenhaus verlassen. Ich hab dann bei Lenny angerufen. Der hat mir geraten, den Vorwurf weder zu bestätigen noch abzustreiten. Den Rest kannst du dir denken.«
»Danke.«
»Pass auf dich auf.«
»Mach ich doch immer.«
»Klar. Die Cops sind übrigens nicht blöd. Sie meinten, wenn
du den Wagen eines Freundes nehmen kannst, könnten sie ja mal nach dem eines anderen gucken.«
Ich verstand, was sie meinte – Pfoten weg von Lennys Wagen.
»Wir müssen auflegen«, sagte sie. »Mach’s gut.«
Die Leitung wurde unterbrochen. Ich ging wieder ins Haus. Verne hatte seinen Waffenschrank aufgeschlossen. Er prüfte ein paar Pistolen. Auf der anderen Seite des Zimmers hatte er einen Safe mit Munition. Der hatte ein Zahlenschloss. Ich schaute ihm über die Schulter. Verne sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Mit dieser Ausrüstung hätte man ein europäisches Land erobern können.
Ich erzählte ihnen von meinem Gespräch mit Zia. Verne zögerte keinen Augenblick. Er klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Ich hab genau den richtigen Wagen für dich.«
Zehn Minuten später verließen Katarina, Rachel und ich in einem weißen Camaro die Ranch.
38
Wir fanden die schwangere Frau auf Anhieb.
Bevor wir in Vernes Wagen losröhrten, war Rachel noch unter die Dusche gesprungen und hatte das Blut und den Ruß abgewaschen. Ich hatte noch schnell ihren Verband gewechselt, und Katarina hatte ihr ein geblümtes Sommerkleid geliehen – eins von denen, die locker sitzen, aber genau richtig fallen. Rachels Haare waren tropfnass und lockig, als wir in den Wagen stiegen. Die Abschürfungen und Schwellungen kümmerten mich nicht – ich hatte noch nie im Leben eine schönere Frau gesehen.
Wir fuhren los. Katarina hatte darauf bestanden, hinten auf dem Notsitz Platz zu nehmen, also saßen Rachel und ich vorne. Anfangs
schwiegen wir. Wir waren wohl in einer Art Dekompressionsphase.
»Was Verne gesagt hat«, fing Rachel an, »über Geheimnisse, die jetzt auf den Tisch müssen, damit man einen Schlussstrich ziehen kann.«
Ich fuhr weiter.
»Ich hab meinen Mann nicht umgebracht, Marc.«
Es schien ihr nichts auszumachen, dass Katarina im Wagen saß. Mich störte es auch nicht. »Offiziell heißt es, es war ein Unfall«, sagte ich.
»Das ist gelogen.« Sie holte tief Luft. Sie brauchte eine Weile, um sich zu sammeln. Ich ließ ihr Zeit.
»Ich war Jerrys zweite Frau. Er hatte zwei Kinder aus erster Ehe. Sein Sohn Derrick ist spastisch gelähmt. Die Kosten waren einfach absurd. Außerdem war Jerry nie gut mit Geld und so, aber er hat getan, was er konnte. Und für den Fall, dass ihm was zustößt, hatte er eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen.«
Ich sah aus dem Augenwinkel ihre Hände. Sie spielte nicht mit den Fingern herum und hatte sie auch nicht zu Fäusten geballt. Die Hände lagen einfach in ihrem Schoß.
»Unsere Ehe ist immer mehr den Bach runtergegangen. Aus diversen Gründen. Einige kennst du schon. Ich habe ihn nicht richtig geliebt. Ich glaube, das hat er gespürt. Aber vor allem war Jerry manisch-depressiv. Und als er dann aufgehört hat, seine Medikamente zu nehmen, ist es noch schlimmer geworden. Irgendwann habe ich die Scheidung eingereicht.«
Ich sah sie kurz an. Sie biss sich auf die Unterlippe und blinzelte.
»An dem Tag, als die Papiere zugestellt wurden, hat Jerry sich in den Kopf geschossen. Ich habe ihn tot am Küchentisch gefunden. Neben ihm lag ein Umschlag mit meinem Namen. Ich habe seine Handschrift gleich erkannt. Ich habe ihn aufgemacht. Es
war nur ein einziges Blatt Papier drin, und auf dem stand nur ein Wort: Miststück .«
Katarina legte Rachel tröstend die Hand auf die Schulter. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf die Straße.
»Ich
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