Keine zweite Chance
nicht mehr daran erinnern kann …«
»Wie wär’s, wenn du siehst, wie die Liebe deines Lebens auf dich schießt. Oder auf deine Frau. Oder …«
Beide schwiegen.
»Tara«, sagte Tickner. »Was hat das Mädchen damit zu tun?«
»Ein Mittel, um Geld zu erpressen?«
Das gefiel beiden nicht. Aber alles, was ihnen sonst noch einfiel, gefiel ihnen noch weniger.
»Wir könnten noch etwas hinzufügen«, meinte Tickner.
»Was?«
»Seidmans verschwundene .38er.«
»Was ist damit?«
»Seine Pistole war in einer verschlossenen Kassette in seinem Schrank«, sagte Tickner. »Nur jemand, der ihm nahe stand, konnte wissen, wo sie versteckt war.«
»Oder«, ergänzte Regan, dem jetzt noch etwas anderes aufgefallen war, »vielleicht hat Rachel Mills auch ihre eigene .38er mitgebracht. Es wurde doch mit zwei Waffen geschossen.«
»Aber dann stellt sich noch eine Frage: Wozu hat sie zwei Pistolen gebraucht?«
Beide Männer runzelten die Stirn, ließen sich noch ein paar andere Theorien durch den Kopf gehen und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis. »Uns fehlt immer noch irgendwas«, stellte Regan fest.
»Genau.«
»Wir müssen noch mal von vorne anfangen und ein paar Fragen beantworten.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, warum Rachel Mills mit dem Mord an ihrem ersten Mann davongekommen ist.«
»Ich kann mich mal umhören«, sagte Tickner.
»Tun Sie das. Und stellen wir einen Mann für Seidman ab. Rachel Mills hat jetzt vier Millionen Dollar. Sie könnte den einzigen Menschen aus dem Weg schaffen wollen, der sie noch mit dieser Sache in Verbindung bringen kann.«
31
Zia fand meine Kleidung im Schrank. Die Jeans hatten Blutflecken, also entschieden wir uns für OP-Kleidung. Im Flur entdeckte sie welche. Die gebrochene Rippe schmerzte, als ich das Hemd überzog und das Zugband der Hose zuband. Ich durfte mich nicht schnell bewegen. Zia sah nach, ob die Luft rein war. Sie hatte einen Alternativplan, falls die Polizisten mich noch beobachteten. Ein Freund von ihr, Dr. David Beck, war vor ein paar Jahren in einen Aufsehen erregenden Fall verwickelt gewesen, mit dem auch das FBI beschäftigt gewesen war. Er kannte Tickner noch von damals. Beck stand bereit. Er wartete am Ende des Korridors und würde, wenn nötig, versuchen, die beiden mit irgendwelchen alten Erinnerungen abzulenken.
Wir brauchten Dr. Becks Hilfe dann doch nicht. Wir spazierten einfach hinaus. Niemand stellte irgendwelche Fragen. Wir gingen durch den Harkness-Pavillon, über den Hof, der nördlich der Fort Washington Avenue lag. Ich bewegte mich sehr behutsam. Ich hatte zwar höllische Schmerzen, hatte aber anscheinend keine schweren Verletzungen davongetragen. Marathonläufe und Gewichtheben würde ich mir noch eine Weile verkneifen müssen, aber es war auszuhalten und meine Bewegungsfreiheit war nicht übermäßig eingeschränkt. Zia gab mir ein Fläschchen
Vioxx-Tabletten. Die fünfzig Milligramm-Hämmer. Die waren gut, weil sie einen nicht müde machten.
»Falls jemand fragt«, sagte sie, »sage ich, dass ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen bin und mein Wagen zu Hause steht. Dann müsstest du ein paar Stunden Ruhe haben.«
»Danke«, sagte ich. »Übrigens, können wir auch die Handys tauschen?«
»Klar, wieso?«
»Sie könnten irgendwie versuchen, mich über mein Handy aufzuspüren.«
»Geht das?«
»Kann ich dir beim besten Willen nicht sagen.«
Sie zuckte die Achseln und zog ihr Handy aus der Tasche. Es war winzig, gerade so groß wie ein Taschenspiegel zum Schminken. »Glaubst du wirklich, dass Tara noch lebt?«
»Ich weiß es nicht.«
Wir gingen, so schnell ich konnte, die Betontreppe zur Tiefgarage hinunter. Wie immer stank es hier nach Urin.
»Das ist Irrsinn«, sagte sie. »Das ist dir doch wohl klar, oder?«
»Ja.«
»Ich hab meinen Piepser bei mir. Wenn ich dich irgendwo abholen soll oder so, pieps mich an.«
»Mach ich.«
Wir blieben vor ihrem Wagen stehen. Zia gab mir den Schlüssel.
»Was ist?«, fragte ich.
»Du hast ein ziemlich ausgeprägtes Selbstbewusstsein, Marc.«
»Hey, soll das ein Motivationsgespräch sein?«
»Pass auf, dass du dadurch nicht ernsthaft verletzt wirst oder so was«, sagte Zia. »Ich brauch dich noch.«
Ich umarmte sie und setzte mich auf den Fahrersitz. Ich machte mich die Henry Hudson entlang auf den Weg nach Norden,
nahm Zias Handy und wählte Rachels Nummer. Der Himmel war klar und ruhig. Der dunkle Fluss spiegelte die Lichter der Brücke, so dass er wie ein
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