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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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natürlich ein Schwein, aber er hatte schon seine Gründe, so an der Selinskaja festzuhalten. Wenn es
     nicht die Ehefrau war, haben wir einen ungelösten Fall am Hals.«
    »Aber es war nun mal nicht die Ehefrau«, sagte Uwarow scharf.
    »Hör mal, vielleicht irgendwie Rache aus Liebe? Eifersucht?« mutmaßte Malzew matt. »Ein ehemaliger Liebhaber der Ehefrau?«
    »Der den Ehemann umbringt und den Mord der untreuen Geliebten unterschiebt?« Uwarow lachte spöttisch. »Nein, das war kein
     eifersüchtiger Liebhaber, das war ein Profi. Das weißt du so gut wie ich.«
    »Na schön. Der Profi sollte vielleicht Selinski als Zeugen beseitigen, um die Ermittlungen zu verwirren, zumindest für eine
     Weile. Aber was hat der Bursche damit zu tun, der Selinski bis nach Hause begleitet hat? Ein Profi hätte sich kaum vorher
     im Treppenhaus blicken lassen.«
    »Es sei denn, es gab dafür einen triftigen Grund.« Uwarow schenkte Wodka nach. »Vielleicht mußte er rasch die Adresse herausfinden.
     Das kann man am schnellsten, indem man denjenigen nach Hause begleitet, wenn man keine Zeit hat, andere Kanäle zu benutzen.«
    Sie stießen erneut lautlos an, tranken und aßen Brot mit Schinken dazu.
    »Ich weiß nicht, vielleicht bin ich ja wirklich schon total vernagelt«, sagte Malzew. »Mir ist da was eingefallen, zurück
     zu dem, wer einem mehr leid tut, Schöne oder Häßliche. Unter den Opfern der Bande war eine gewisse Marina Wedenejewa.Eine bildschöne Frau, sie hat sogar irgendwelche Schönheitswettbewerbe gewonnen. Ich habe doch heute mit Sawjalow gesprochen,
     dem Eigentümer des Verlags, in dem der Tote gearbeitet hat. Hab mich nach der Übersetzerin erkundigt, nach ihrem Verhältnis
     zu Selinski. Sawjalow hat gesagt, das könnte mir am besten ein gewisser Wedenejew erzählen, ein Freund von Selinski, aber
     der sei nach Kanada gegangen. Der Name ist natürlich nicht gerade selten, aber ich denke, ich sollte mir morgen den alten
     Fall noch einmal ansehen.«
    Uwarow schnippte mit dem Feuerzeug und zündete sich endlich die Zigarette an, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte.
    »Na siehst du, und du sagst, wir haben keinerlei Anhaltspunkte. Man sollte nie vor der Zeit aufgeben.«
    »Und du solltest dich nicht vor der Zeit freuen.«
    »Freuen sollte man sich immer, egal, wie Zeit und Umstände sind. Besonders wenn es keinen Anlaß dazu gibt, nur das Leben selbst
     mit seinen raffinierten Überraschungen.«
    »Wenn unser unauffindbarer Joe schließlich doch in der ›Schenke‹ auftaucht, das wäre eine Überraschung. Übrigens ist die Küche
     dort ausgezeichnet. Besonders gut ist der Stör auf Klosterart. Hör mal, vielleicht sollten wir uns Tschuwiljow mal vornehmen?
     Der weiß doch garantiert was.«
    »Nein, das ist noch zu früh. Wir würden ihn nur aufschrecken. Außerdem ist gar nicht gesagt, daß er was weiß. Kann durchaus
     sein, daß der Kontakt nur einseitig läuft.«
     
    Sascha Sergejew tauchte aus einer Saufphase auf.
    Es war ein kühler früher Morgen. Der Moskauer Vorort Mytischtschi lag noch in stillem Morgenschlaf. Sascha stand eine Weile
     an der offenen Balkontür und atmete die frische Luft ein. Dann nahm er einen Katerschluck von hundert Gramm, aß eine Handvoll
     Sauerkraut, zündete sich eineZigarette an, setzte sich auf einen Hocker, starrte mit verquollenen roten Augen lange stumpfsinnig vor sich hin und versuchte
     zu ergründen, ob ihm der Kopf noch weh tat oder nicht.
    »Willst du einen Tee?«
    Saschas Freundin Angela, eine kleine, spitznasige Frau mit zerzaustem Haar, stand in der Küchentür.
    »Ein Tee wär nicht schlecht«, sagte Sascha nachdenklich, »und – na ja, was zu futtern.«
    »Wer was futtern will, muß erst mal Geld verdienen«, versetzte Angela logisch, schlurfte in ihren gestopften Pantoffeln zur
     Spüle und machte sich an den Abwasch.
    Saschas Leben bestand aus schwarzen und weißen Strähnen. Auf die helle Zeit des Suffs, wenn er sich stark fühlte, wenn es
     ihn drängte, gefühlvolle Lieder zu singen und alle zu umarmen, folgte die düstere Zeit der Nüchternheit. Dann wurde Sascha
     böse und geldgierig. Er wollte Geld, so viel und so schnell wie möglich.
    Angela arbeitete als Krankenschwester in der psychiatrischen Betreuungsstelle. Sie hatte Sascha vor fünf Jahren kennengelernt.
     In der Krankenakte des gutaussehenden blonden, blauäugigen Burschen stand die Diagnose: Oligophrenie im Stadium der Debilität.
     Seit vielen Jahren bemühte sich Sergejew,

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