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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Brieftasche aus der Innentasche des Jacketts nahm, sie öffnete und wieder
     zurücksteckte. Doch das fiel Golowkin nicht auf. Die beiden hatten so wunderschöne blaue Augen!
    Als sie in sein Haus gingen, legte er seinen Arm erst um Alissas Taille, dann um die von Marina und bekam einen ganz trockenen
     Mund.
    Wieso eigentlich nur eine? Warum nicht alle beide? Ich habe mir so lange nichts gegönnt ….
    In der leeren Wohnung schauten die Mädchen sich um, als wären sie hier zu Hause, setzten sich in Sessel, rauchten und zwitscherten
     fröhlich, während er den Couchtisch deckte. Schließlich war der Sekt geöffnet.
    »Auf unsere Bekanntschaft!« sagte Golowkin und stieß mit seinen Gästen an.
    »Ich könnte einen Kaffee gebrauchen«, sagte Marina sehnsüchtig, »sonst schlafe ich gleich ein …«
    »Ja« – Alissa lächelte –, »machen Sie einen Kaffee, kümmern Sie sich ein bißchen um uns Mädchen.«
    Golowkin verschwand in der Küche. Als er mit drei dampfenden Kaffeetassen auf einem Tablett zurückkam, saßen die Mädchen noch
     immer rauchend und fröhlich zwitschernd da. Der Sekt war bereits eingeschenkt.
    »Auf deine Gesundheit, Ilja!« Marina küßte ihn schmatzend auf die Glatze.
    Sie stießen an.
    »He, Ilja, nicht nur einen Schluck!« Alissa streichelte sein Knie. »Das geht nicht. Komm, trink aus, auf die Gesundheit muß
     man das ganze Glas austrinken, sonst wird man krank.«
    Golowkin leerte sein Glas. Ihn schwindelte noch heftiger, außerdem verspürte er auf einmal eine merkwürdige Schwäche. Unversehens
     saß Marina auf seinem Schoß. Sein Blick wurde trübe, er konnte sich kaum noch rühren. Aber das wollte er auch gar nicht.
    »Ach du, mein Katerchen, mein Alterchen«, flüsterte ihm Marina ins Ohr und kitzelte es mit ihren spitzen, grellrosa lackierten
     Fingernägeln sanft.
    Alissa war indessen ins Nebenzimmer gehuscht, durchwühlte flink sämtliche Schubfächer und Regale der polierten Anbauwand,
     schüttete Raïssas billigen Schmuck in ihre Handtasche, untersuchte den Inhalt von Golowkins nagelneuem Aktenkoffer, fand dort
     jedoch nur eine unangebrochene Flasche Herrenparfüm und Schachteln mit Schweizer Pralinen, fluchte leise, nahm aber auch das.
    Golowkin wußte nicht recht, ob er sich wohl fühlte oder im Gegenteil. Die schlanke Marina auf seinem Schoß kam ihm plötzlich
     unglaublich schwer vor, als wiege sie eine ganze Tonne. Übrigens war sie längst von seinem Schoß gesprungen und zog ihm behutsam
     das Jackett aus.
    »So, mein Katerchen, so, mein Süßer«, redete sie auf ihn ein, während sie geschickt seine Taschen durchwühlte. »Jetzt geht’s
     in die Heia, uns fallen ja schon die Augen zu.«
    Golowkins Brieftasche verschwand in der weißen Lackhandtasche. Er merkte nichts davon. Er war furchtbar müde, sein Körper
     fühlte sich an, als sei er aus Watte, er sank in einen schwarzen, zitternden Nebel, und durch den Nebel drang aus weiter Ferne
     ein undeutliches Flüstern, in dem er die Worte zu hören glaubte: »Das war’s, los, wir hauen ab …«
    Golowkin versuchte aufzustehen oder wenigstens zu schreien, doch statt eines Schreis drang nur ein schwaches Stöhnen aus seiner
     Kehle. Die Wohnungstür klappte, doch das bekam er nicht mehr mit.

Neunzehntes Kapitel
    Ein erneuter Anruf holte Vera aus dem Bett. Sobald die Tür hinter ihrer Mutter und Sonja zugefallen war, hatte Fjodor sich
     mit einer Gier auf sie gestürzt, die sie zugleich erschreckte und betörte.
    Seit jenem ersten Abend in seiner kleinen Wohnung waren erst ein paar Tage vergangen, und Vera dünkte es, als hätten sie und
     Fjodor seitdem ununterbrochen Liebe gemacht. Sobald sie allein waren, wollte er sie.
    Als hätte er jahrelang keine Frau angerührt. So gierig, so ausgehungert wirkt er, dachte Vera.
    »Ich liebe dich so und will dich immerzu, bis zum Wahnsinn«, sagte er, während er erneut geschickt ihr und sich die Kleider
     vom Leib riß.
    Nicht, daß das Vera nicht gefallen hätte. Aber in ihrer plötzlichen Liebe lag etwas düster Animalisches. Sie hatte sich schon
     mehrfach gefragt: Die Leidenschaft würde mit der Zeit nachlassen – was, wenn sich dann plötzlich herausstellte, daß sie nicht
     miteinander reden konnten? Man konnte ja nicht ausschließlich im Bett kommunizieren.
    Als im Flur das Telefon klingelte, war sie sogar froh. Sie hatten sich erst vor ein paar Minuten voneinander gelöst. Sie fühlte
     sich erschöpft und ausgelaugt. Er aber war willens, noch einmal von vorn

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