Kellerwelt
Betonpfeilers, um den sie das Seil geschlungen
hatte.
„ Mach keinen Blödsinn",
rief der Kerl hinter ihr her. „Bleib bloß von dem Loch weg. Da unten ist
irgendetwas. Irgendein Tier oder so. Ich habe keine Ahnung, ob dieses Ding
klettern oder die Wände hinauf laufen kann. Wenn ja, dann kann es jeden
Augenblick durch dieses Loch kommen. Also bleib da weg!"
Sie seufzte. Die gleiche
Geschichte hatte sie schon einmal gehört - natürlich von dem letzten Typen, den
sie raufgezogen hatte. Sie hatte das für totalen Schwachsinn gehalten und
angenommen, der Typ habe sich das alles nur eingebildet. Damit schien sie aber
daneben zu liegen, denn wenn dieser Kerl hier das Gleiche berichtete, dann
schien an dieser Sache mit den schwarzen Biestern wirklich etwas dran zu sein.
Dennoch konnte sie ihn
beruhigen.
„ Hier kommt nichts
rauf", sagte sie. „Ich weiß auch nicht, was da unten ist, aber es kommt
nicht nach oben. Ich war schon ein paarmal hier und habe ziemlich lange neben
dem Loch gesessen. Ich habe da sogar geschlafen. Ist nie irgendwas
passiert."
Der Kerl schüttelte noch
einmal seinen Kopf. „Nein, vergiss es. Ich war da unten und habe gesehen, was
dieses Ding anrichten kann. Ich habe gesehen, wie es einen Mann angegriffen
hat. Dieses Biest ist brandgefährlich. Vielleicht gibt es sogar mehrere von
dieser Sorte. In jedem Fall solltest du von diesem Loch weg bleiben."
Sie hob beschwichtigend ihre
Hände. „Schon gut, Mann. Ich ziehe jetzt das Seil raus und dann können wir
meinetwegen verschwinden. Alles klar? Bis dahin solltest du aufhören, mit der
Kanone herumzufuchteln. Am Ende geht das Ding noch versehentlich los."
Er warf ihr einen Blick zu,
der ihr einen eisigen Schauer den Rücken hinab jagte. „Diese Kanone geht nur
los, wenn ich es will, Kleine."
Sie entschied, das Seil
zurückzulassen. Besser, sie provozierte diesen Typen nicht. Außerdem war es
ohnehin an der Zeit, den Rückweg anzutreten. Der Kerl visierte unterdessen
immer noch das Loch an. Wenn sie jetzt einfach leise nach hinten verschwand,
dann würde er überhaupt nichts merken. Bis er ihr Verschwinden entdeckte, wäre
sie schon um hundert Abzweigungen herum und über hundert Kreuzungen hinweg. Der
Kerl würde sie im ganzen Leben nicht mehr finden. Und in der Maschinenzone
würde er ohnehin draufgehen. Außerdem wäre der Chef glücklich, wenn sie alleine
zurückkehrte.
Doch sie brachte es nicht
fertig, diesen Kerl hier alleine sitzen zu lassen. Sicher, er hatte etwas
Gefährliches an sich. Er hatte eine Kanone und er war ziemlich durch den Wind.
Seine Klamotten stanken wie eine ganze Halle voller Latrinen. Und doch hatte er
irgendetwas an sich, das sie daran hinderte, einfach abzuhauen.
„ Hey du." Sie trat von
einem Bein aufs andere. „Ich muss jetzt wieder los. Du kannst mitkommen, wenn
du willst. Falls du aber lieber das Loch hier anglotzen magst - kein Problem.
Ich meine, dann bleibst du eben hier. Okay?"
Er sah kurz zu ihr auf. Es
war mehr ein Aufblitzen als ein Aufblicken. „Und was ist, wenn dieses Ding da
unten hinter uns her kommt?"
Allmählich konnte sie sich
ein Grinsen nicht mehr verkneifen. „Oh Mann, das kommt nicht hier rauf. Habe
ich doch schon gesagt, oder? Und wenn schon - da oben ist eine Tür. Wenn da
unten irgendein blödes Tier ist, dann wird es wohl kaum eine Tür aufmachen
können, oder? Und selbst wenn es das könnte, dann würde es uns nicht mehr
erwischen. Wir laufen um ein paar Ecken, dann findet uns das Ding nicht
mehr."
Damit hatte sie den Mann
offenbar überzeugt - wenn auch nicht vollständig, denn er wollte seine Kanone
noch immer nicht wegstecken. Stattdessen bewegte er sich rückwärts vom Loch weg
und zielte auch weiterhin auf die Öffnung. Erst als sie in Richtung der Tür
losmarschierte, löste er sich allmählich von seinem Ziel und folgte ihr.
„ Du hast Recht", sagte
er. „Wir sollten hier verschwinden. Wenn uns das Ding da unten nicht erwischt,
dann erwischt uns am Ende noch etwas anderes."
Als sie dann den Korridor entlang wanderten - sie vorne, der Kerl hinter
ihr her -, bombardierte er sie mit Fragen. Bei einem Teil der Fragen wusste sie
überhaupt nicht, was er meinte. Bei anderen Fragen wusste sie es zwar schon,
doch sie wusste die Antworten nicht. Und dann gab es auch noch Fragen, über die
sie noch nie nachgedacht hatte - und auch nicht nachdenken wollte.
Wie lautete ihr Name? Keine
Ahnung. Wie war sie hierhergekommen? Wusste sie nicht - irgendwie war sie schon
immer hier
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