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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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würden sie ihn hier drin erwischen. Dann würde dieser
Entsorger kommen - oder wer auch immer hinter ihm her war. Deswegen musste er
sich schnell einige Karten aus diesem Archiv beschaffen.
    Die hintere Wand der
Siedlung kam allmählich in Sicht. Was hatte die Kleine gesagt? Wo sollte sich
dieses Archiv befinden? Irgendwo ziemlich weit oben, meinte er sich zu
erinnern. Also schaute er nach oben - und verschluckte sich beinahe an seinem
eigenen Atem.
    Dort oben, fünf Stockwerke
über ihm, hing ein Quader aus Beton direkt im Winkel zwischen Decke und Wand.
Dieser Quader wirkte wie ein Bungalow mit Flachdach, den ein Spaßvogel an die
Decke geklebt hatte. Ein Gerüst aus Metallstreben und Leitern führte vom Boden
bis zu einem Laufgang aus Beton, der an der Vorderseite des Quaders angebracht war
wie ein Balkon. Das Gerüst wirkte, als müsse es jeden Augenblick kollabieren.
Doch soweit er sah, gab es keinen anderen Weg nach oben.
    Er spuckte in seine Hände.
    „ Na, dann wollen wir
mal."

Kartenhaus
     
    Als er auf dem Balkon des
Quaders stand und über das Metallgeländer nach unten sah, fragte er sich, wie
er es so schnell geschafft hatte, diese Leitern empor zu klettern. Er war noch
nicht einmal außer Atem geraten.
    Doch noch mehr als seine
eigene Leistungsfähigkeit faszinierte ihn die Aussicht von hier oben. Auch wenn
die Dunkelheit einen Großteil der Halle verschluckte, hatte er von hier aus
doch einen grandiosen Überblick über die Siedlung. Leider konnte er es sich
nicht leisten, die Aussicht lange zu genießen. Er musste weiter.
    Es gab nur eine Tür, die in
das Innere des Quaders führte. Er öffnete sie, betrat das Kartenarchiv - und
trat gleich darauf wieder einen Schritt nach draußen, als er sah, was ihn dort
drin erwartete.
    Regale.
    Nichts als Regale.
    Dieser Raum mochte gut
vierzig Schritte in der Breite und etwa dreißig Schritte in der Länge messen.
Gleich hinter dem Eingang bildeten einige etwa gleich hohe Tische eine Art
Theke. Den Rest des Raumes nahmen Regale ein - Metallregale, Holzregale und
Regale, die aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt worden waren.
    Regale, soweit die
Beleuchtung reichte.
    Eine Eigenschaft hatten sie
alle gemeinsam: Stabilität. Dennoch bogen sich viele Regalböden unter dem
Gewicht der Notizblöcke, die darauf gestapelt lagen.
    Die Kleine hatte für den
langen Weg vom Loch bis zur Siedlung sieben Notizblöcke mit Kartenmaterial
benötigt. Er hatte damit gerechnet, hier im Kartenraum vielleicht 30 oder 40
dieser Notizblöcke zu finden, doch nun sah er Hunderte, wenn nicht gar Tausende
dieser Blöcke.
    „ Wie soll ich denn da die
richtigen finden?", murmelte er vor sich hin.
    Zu seiner Überraschung
erhielt er eine Antwort: „Überhaupt nicht. Du hast hier nämlich gar nix zu
suchen, Freundchen."
    Er zuckte zusammen und
schaute in die Richtung, aus der die Stimme ertönt war. Dort tauchte zwischen
den Regalen eine Gestalt in einem grauen Kittel auf. Ein Mann, kaum größer als
der Chef. Das Alter hatte ihn offenbar völlig ausgetrocknet. Er sah aus wie
eine Dörrzwetschge auf zwei Beinen, doch die Augen des Alten blickten wach
hinter zwei runden Brillengläsern hervor.
    Einerseits gefiel ihm dieser
Opa nicht. Dieser Kerl wirkte auf ihn wie ein Aasfresser und seine Stimme klang
wie eine Kreissäge. Andererseits war er froh, sich nicht alleine mit der Suche
nach den richtigen Karten plagen zu müssen.
    „ Ich brauche Karten",
sagte er.
    Der Alte nickte. „Ach,
tatsächlich? Und da meinst du, du könntest hier einfach reinkommen und dich
bedienen, oder was? Jetzt stellst du dich erst mal vor und dann erklärst du
mir, was du mit den Karten willst und wer das genehmigt hat."
    Der schneidende Tonfall des
Alten nagte sofort an seinen Nerven. Nur zu gerne hätte er über die
improvisierte Theke gelangt und den Burschen zu sich heran gezerrt. Doch bei
seinem Glück hatte er hier gerade den einzigen Menschen vor sich, der in dem
Ablagesystem der Karten den Durchblick bewahrt hatte. Deswegen entschied er,
diplomatisch vorzugehen.
    „ Ich bin noch neu in der
Siedlung. Der Chef meinte, ich solle mal die Lage bei der Kriegszone
überprüfen. Dazu soll ich mir hier die passenden Karten geben und mir erklären
lassen, wie man die Dinger liest. Das muss aber ziemlich schnell gehen."
    Als er das Grinsen des Alten
sah, beschlich ihn die Ahnung, einen Fehler gemacht zu haben.
    „ Soso, eilig hat es der
Jungspund. Schnell weg muss er. Und Karten kann er auch nicht lesen. Seit

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