Kells Rache: Roman (German Edition)
durchdrang.
Warum hatten sie ihn hierhergebracht?
Er grinste freudlos. Lebend sollte er diesen Ort nicht mehr verlassen, richtig?
Sie würden ihn in dem Öl ertränken, es würde ihn schlucken und keine Spur von ihm zurücklassen.
Er starrte in die schwarze Grube, die vollkommen bewegungslos vor ihm lag. Aber als sich ein Mann auf den hölzernen Planken bewegte, liefen winzige Wellen über die Flüssigkeit und verrieten, dass es sich um jahrhundertealten Abfall handelte, der mit Schmutz und Unreinheit gefüllt war und ein perfektes Versteck für einen Mord darstellte …
Plötzlich war Saark wieder vollkommen nüchtern und zählte die Männer: zwölf. Zwölf? Er konnte sich nicht daran erinnern, sich zwölf Frauen genähert zu haben, andererseits waren die Nächte in Kettelskruul lang und kalt gewesen. Saark hatte sich schnell gelangweilt, wie offenbar auch die ansässigen Ehefrauen und Töchter. War er wirklich so dekadent? Saark blickte lange und scharf in seine eigene Seele – und ließ beschämt den Kopf hängen, als er zugeben musste, dass er genau das war.
»Was habt ihr vor?«, fragte er schließlich, während er zusah, wie Rake einen Knoten in ein Stück Seil knüpfte. Eine Schlinge? Na wundervoll, dachte Saark. Perfekt.
»Wir werden dich läutern«, erklärte Rake. Sein Gesicht wirkte im Licht der Laterne wie die Maske eines Dämons. Er trat vor und schlang das Seil über Saarks Kopf.
»Nein, werdet ihr nicht, Leute«, ertönte eine Stimme aus der Dunkelheit. Im nächsten Moment trat Kell vor. Seine Gestalt, sein massiger Körper war am Rand des Lichtkegels der Laterne kaum zu erkennen. In diesem dämmrigen Licht spielte es keine Rolle, dass er bereits über sechzig Jahre alt war. Er war riesig, furchteinflößend. Außerdem hielt er Ilanna in seinen Bärentatzen, was allein schon ein schrecklicher und bedrohlicher Anblick war. »Jetzt setzt den Dandy wieder ab und tretet vom Stuhl zurück.«
Die Männer erstarrten. Ihre Prügel und ein paar angerostete Kurzschwerter hingen schlaff und nutzlos in ihren Fingern. Doch Rake hielt Saark nach wie vor fest umklammert, wie in einem Bund zwischen Henker und Opfer, und starrte Kell furchtlos an. Ungeweinte Tränen schimmerten in seinen Augen.
»Geh nach Hause, alter Mann. Wir haben hier etwas zu erledigen.«
Kell lachte, leise und düster. »Hör zu, Jungchen. Ich töte seit über vierzig Jahren Männer, und ich habe bislang jeden Mistkerl umgebracht, der sich mir in den Weg gestellt hat. Also, trotz eures unhöflichen Verhaltens unserem Freund Saark hier gegenüber kann ich eure Lage verstehen. Was soll ich sagen, ich stimme euch sogar im Großen und Ganzen zu …«
»Vielen Dank, Kell!« Saark stöhnte.
»… aber seine Zeit zu sterben ist noch nicht gekommen.« Kell zog finster die Augenbrauen zusammen, und seine Stimme sank um eine Oktave. »Ich habe keinen Streit mit einem von euch hier. Aber jeden Mann, der auch nur einen Finger an diesen streunenden Pfau legt, hacke ich vom Scheitel bis zum Schwanz in zwei Teile.«
Die Zeit schien zu erstarren. Kells Worte schwebten wie Schnee in der Luft … und solange sich keiner bewegte, wirkte der Bann. Die Unsicherheit steckte wie ein Splitter im Geist jedes Mannes. Doch dann brüllte Rake wütend auf und riss mit aller Kraft an der Schlinge, die sich fest um Saarks Hals zog. Er zerrte den Dandy mitsamt Stuhl hoch. Saark trat um sich, und seine Hacken kratzten über die alten Planken. Kell machte vier lange Schritte. Dann sang die schreckliche Ilanna, während sie durch die Luft pfiff. Rakes Kopf löste sich von seinem Körper und segelte in das dunkle Becken mit Öl. Es plumpste dumpf, dann versank der Kopf in der zähen Flüssigkeit. Sein Körper stand noch einige Herzschläge lang stocksteif da, während das Blut aus dem zerfetzten Hals pulsierte. Dann gab ein Bein nach, und langsam faltete sich Rakes Leichnam auf dem Boden zusammen wie ein Sack mit Innereien.
Es rummste hohl, als Kell Ilanna auf den Planken abstellte. Dann betrachtete er die restlichen Männer. »Noch jemand?«, fragte er leise. Seine Worte klangen wie die Liebkosungen eines Geliebten, waren geflüstert und intim, und jeder Mann hob unterwürfig die Hände und verließ schleunigst den Raum.
Kell drehte sich zu Saark herum, griff hinunter und durchtrennte mit seinem kurzen Messer die Fesseln. Saark stand auf, massierte sich die Handgelenke und betastete vorsichtig seine Nase. »Ich glaube, sie haben sie mir gebrochen.«
»Nichts
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