Keltengrab: Thriller (German Edition)
»Es geht um die Bienenzüchter, oder? Sie wollen mich nach den Bienenzüchtern fragen.«
45
Es war, als hätte sich jemand Schwester Gabriels Körper bemächtigt und würde durch sie sprechen. Aber Fran hatte nichts davon gesagt, dass die alte Nonne irgendwelche Fähigkeiten als Medium besaß, deshalb überlegte ich fieberhaft, wovon sie eigentlich redete. Dann aber klärte mich Schwester Gabriel umgehend auf. »Der Orden. Die Bienenzüchter. So hat man uns früher genannt. Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil.«
»Wegen Ihrer Ordenstracht, nehme ich an?«
»Wegen des Schleiers, im Grunde. Der reichte bis zum Kinn hinab. Nach einer Zeichnung in den Katakomben von Rom. Die Kopfbedeckung einer Märtyrerin aus dem dritten Jahrhundert namens Susanna. Papst Adrian persönlich hat sie empfohlen.«
»Äh … Sie haben gerade von der Tracht Ihres Ordens erzählt.«
»Ja, ja. Der Rest war schlicht, wie bei Mönchen, mit einer Kordel um die Mitte. Aber man hat uns von Anfang an als Bienenzüchternonnen bezeichnet, so dass die Biene sogar zum Symbol des Ordens wurde. Aber natürlich hatte der Schleier nichts mit Bienenzucht zu tun … Dennoch hatte er einen Zweck … Aber ich habe vergessen, welchen …« Sie blickte nach einer Eingebung suchend in mein Gesicht. »Könnte es zum Schutz vor der Sonne gewesen sein? Wenn wir auf Reisen gingen?«
Ich bezweifelte es, wollte sie aber bei Laune halten. »Ja, natürlich.«
Schwester Gabriel schürzte verärgert die Lippen, so dass sich die Falten zu größeren Furchen bündelten. »Was willst du mir da einreden, du dumme Göre?«
Ich hatte einen Fehler gemacht. Ich hätte sie nicht herablassend behandeln dürfen.
»Du weißt genau, dass wir unsere Arbeit diskret verrichten mussten. Keine Peinlichkeiten für beide Seiten, falls man sich bei gesellschaftlichen Anlässen traf … Weihnachtsfeiern und dergleichen. Das Festmahl des Papstes. Wussten Sie, dass die Päpste am Heiligen Abend zwischen den Vespergebeten und der Mitternachtsmesse immer ein großes Festmahl veranstalteten? Wundervoll war das, wundervoll. Ich war selbst einmal dabei. Corelli, Scarlatti, sie alle haben Chormusik dafür komponiert … irgendwas mit Hirten weiß ich noch …« Sie begann mit zittriger Stimme eine Melodie zu summen, brach aber wieder ab, weil ihr offenbar die Worte nicht einfielen.
»Haben bei solchen Gelegenheiten auch Männer gesungen?«
»Männer? Sei nicht albern, Kind. Die einzigen Männer, die ins Kloster kamen, waren die Gemeindepfarrer, um die Messe zu lesen und die Beichte abzunehmen. Und Arbeiter.«
»Außer den Nonnen lebte also niemand im Kloster?«
»Nein. Es sei denn, man zählt die Mesnerin mit. Eine Laienschwester, taubstumm. Trug immer noch die alte Tracht, als Einzige.«
»Sie trug als Einzige die Bienenzüchtertracht? Wissen Sie das genau?«
»Glaubst du mir nicht, Kind?«
»Verzeihung. Ich wollte mich nur vergewissern, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sagen Sie, war die Grange Abbey immer ein Einkehrhaus für den Orden?«
»Oh, nicht nur. Es war ein Ausbildungszentrum für Postulanten. Und früher einmal hatten wir noch andere … Verpflichtungen.«
»Kommen die Äbtissin und die Finanzverwalterin gut miteinander aus?«
»Müssen sie ja wohl; es gibt jetzt auch nichts mehr zu streiten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie waren Konkurrentinnen um den Posten der Äbtissin. Beide noch ziemlich jung damals. Campion bekam den Posten, und Roche wurde Ausbildungsleiterin, eine mächtige Position, als es noch Dutzende von Postulanten gab. Aber das ist lange her.«
»Wie viele Schwestern zählte die Gemeinschaft noch, als Sie fortgingen?«
»Woher soll ich das wissen. Ich hielt mich abseits. Hatte auch schlimme Arthritis in der Hüfte … Konnte an den Gottesdiensten nicht teilnehmen. Zu weit zu gehen.«
»Bis zur Kirche, meinen Sie.«
»Ja. Ich habe die Kirche sowieso nicht gemocht. Auf unheiligem Boden erbaut.«
»Was macht ihn unheilig?«
»Zuerst einmal der Grund, warum die Kirche erbaut wurde. Steht alles in der Urkunde.« Sie runzelte die Stirn. »Und es hieß immer, der Grund für die besonderen Pflichten, die dem Orden auferlegt waren, ließe sich noch an zwei weiteren Stellen finden – am westlichen Kirchenportal und in der Krypta, einmal in Stein, das andere Mal in Glas.«
In Glas? Ein Buntglasfenster vielleicht. Aber in der Krypta? »Haben Sie es in der Krypta selbst gesehen?«
»Nein. Die durfte man zu der Zeit, als ich ins Kloster kam, nicht
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