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Keltenzauber

Keltenzauber

Titel: Keltenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela O. Tietsch
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verletzten Bruder war wenig erholsam gewesen. Was gäbe er für ein warmes Lager, in Wolle und Torf gebettet zwischen seinen anderen Familienmitgliedern. Sehnsüchtig fiel ihm der morgendliche Haferbrei ein. Sein Magen knurrte laut.
    „Wir hätten sie nicht verärgern sollen!“ sagte Dougal leise.
    Gavin sah ins Dunkel, in Dougals Richtung. „Wie geht es dir?“
    „Oh.“ Dougal schaffte es trocken aufzulachen. „Bestens!“
    „Dougal!“
     
     
    Ich schnaufte ungehalten. „Wie soll’s gehen? Die Wunde an der Schulter pocht, die Rippen drücken bei jedem Atemzug und ich habe das Gefühl zu erfrieren. Doch deine Behandlung hat die Schmerzen gelindert. Aye, ich hätte gern einen Haferbrei!“
    „Es geht ihm besser!“ warf Eithne zufrieden ein.
    „Aye“, antwortete Calum glücklich.
    „Was haben wir vor?“ fragte ich und meine Stimme hörte sich in meinen Ohren müde an.
    Gavin zuckte die Schultern. „Vielleicht können wir irgendwo Hafermehl oder Brot bekommen?“
    Calum erhob sich, soweit das unter dem großen Tuch möglich war. „Alles ist besser, als hier untätig zu sitzen.“
    Plötzlich schoß mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf. Was wenn wir zurück mußten, an den schrecklichen Ort, den die Füchsin Kirche genannt hatte, um wieder in unsere Welt zu gelangen? Wahrscheinlich versuchten Vater und Ossian längst uns zurückzuholen und es war ihnen unmöglich, weil wir nicht mehr an dem schrecklichen Ort weilten? Ich behielt meine Bedenken jedoch für mich. Der allerletzte Ort an dem ich sein wollte, war der, wo es in finsterer Nacht taghell leuchtete, wo Menschen aneinander vorbeiliefen als kannten sie sich nicht und wieder andere verzaubert in schwarzen Truhen gefangen waren.
    Calum, Eithne und Gavin standen vorsichtig auf, während sie das Tuch so hielten, daß der Schnee von Außen abfiel. Der eisige Wind trieb unerwartet heftig die Kälte durch das Gewebe meines Hemdes. Mir schauderte. Ich mochte kaum zusehen als die anderen sich im Schnee wuschen. Ich verspürte nicht den leisesten Drang es ihnen gleichzutun, aber es war lebenswichtig. Nur so würden unsere Körper die nötige Kraft bewahren, um die Kälte zu überleben und das Blut in Wallung zu bringen. Prustend beließ ich es bei den Beinen, Armen und meinem Gesicht. Den schmerzenden Oberkörper ließ ich aus. Ich nahm mir eine Handvoll Schnee in den Mund, um den Durst zu stillen. Er schmeckte abscheulich, wie das Wasser vom Vorabend. Hier war nichts wie es sein sollte, nichts wie wir es gewohnt waren. Ich hatte den starken Drang mich zu entleeren. Ob der Stein wieder hinaus wollte? Schweigend kleideten wir uns wieder an und ich verschwand hinter einem Baum. Der Stein drängte sich wieder nach Außen. Was für ein Schmerz, so ähnlich mußten Frauen sich wohl unter der Geburt fühlen? Das Schlucken des Steines war bereits unangenehm gewesen, aber ich hatte nicht daran gedacht, daß er wieder herauskommen mußte.
    Ich wusch den Stein im Schnee, trat zu Gavin und überreichte ihn.
    „Hier.“
    Gavin sah mich verständnislos an.
    „Nimm du den Stein, bitte!“
    Er nickte, nahm den Stein an sich und verstaute ihn in seinem Sporran.
    Ich überlegte, ob Coinneach MacAilpin wohl einen anderen Weg finden würde, gekrönt zu werden oder ob wir Schuld sein würden, daß diese Krönung nicht zustande kam?
    Wir machten uns auf den Weg zurück zu dem großen grauen Pfad. Zurück zum grauen Gebäude. Wieder und wieder mußten wir eine Rast einlegen, weil mir die Luft ausblieb. Meine Schulter und mein Oberarm pochten wild. Ich unterdrückte den Schmerz so gut ich konnte.
    „Einhundertunddreißig“, zählte Calum laut.
    „Einhundertunddreißig was?“ fragte Eithne nach.
    „Das war das einhundertunddreißigste unheimliche Auto, das an uns vorbeigefahren ist.“
    „Du zählst sie?“
    „Was soll ich denn sonst tun, um meinen Hunger zu vergessen?“
    „Ich habe bisher keinen Tag erlebt an dem du einmal nicht hungrig warst, was ist daran so außergewöhnlich?“
    Das Gespräch verstummte, wir liefen unermüdlich weiter. Das Gebäude mit den durchsichtigen Wänden ließen wir links liegen, obwohl wir alle ein Ziehen im Magen spürten. Ich war sicher, daß wir kein zweites Mal ungeschoren davonkämen. Ich atmete schwer. Meine Lunge brannte und meine Nase schien zu erfrieren. Die Luft war so bitterkalt. Bei Tageslicht sah alles noch grauer und schmutziger aus und je näher wir dem unwirklichen Ort kamen, umso mehr Autos waren zu sehen, zu

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