Kelwitts Stern
fragte er. Die Stimme hatte einen deutlich schwäbischen Akzent.
»Na gut«, meinte Wolfgang Mattek daraufhin und rieb sich ungeduldig die Hände. »Wie auch immer. Die Frage ist, was wir jetzt machen. Familienrat. Wo ist eigentlich Thilo?«
»So was erzählt er mir längst nicht mehr. Aber ich würde mal vermuten, dass er wieder bei dieser Frau ist.«
Sabrina sah ihre Eltern einen unverkennbaren »Was haben wir nur falsch gemacht?«-Blick austauschen. Thilo hatte eine Freundin, die gute elf Jahre älter war als er und sich ihren Lebensunterhalt mit Kartenlegen und anderen Wahrsagereien verdiente. Zu sagen, dass diese Verbindung ihren Eltern ein Dorn im Auge war, wäre extrem untertrieben gewesen. Ganze Plantagen von Dornbüschen hätten herhalten müssen für einen angemessenen Vergleich.
»Ist doch ganz klar, was wir machen«, erklärte sie. »Wir passen auf Kelwitt auf, bis er wieder abgeholt wird.«
»Ach«, machte ihre Mutter und sah sie mit großen Augen an. »Er wird wieder abgeholt?«
»Das vermutet sie nur«, warf ihr Vater ein.
»Was soll denn sonst passiert sein?«, entgegnete Sabrina. »Er ist aus irgendeinem Grund vergessen worden, und sie werden wiederkommen, um ihn zu holen.«
»Vergessen? Wobei vergessen?«
»Was weiß ich – vielleicht ist er Mitglied einer Forschungsexpedition? Und sein Raumschiff ist versehentlich ohne ihn abgeflogen.«
Ihre Eltern sahen einander zweifelnd an.
»Ich weiß nicht«, meinte ihr Vater. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine außerirdische Forschungsexpedition unbemerkt landen kann. Schon gar nicht auf der Schwäbischen Alb.«
»Das wäre bestimmt in allen Nachrichten gekommen«, pflichtete Nora ihm bei.
Sabrina verdrehte die Augen.
»Das ist doch völlig piepegal!«, stöhnte sie. »Hier steht er und ist so außerirdisch wie nur was, und ihr zerbrecht euch den Kopf darüber, wieso er hier ist. Wen interessiert denn das?«
»Mich zum Beispiel«, meinte ihr Vater. »Ich wüsste schon gern, was er hier will und wie lange er zu bleiben gedenkt.«
»Na, dann frag ihn doch!«
Zu ihrer aller Überraschung hob Kelwitt in diesem Augenblick die Arme, um mit seinen schlangengleich mäandernden Fingern einige bezaubernd elegante Bewegungen zu vollführen. »Sieben Tage«, erklärte die Stimme aus seiner Schulterspange bestimmt. »Dann wieder gehen. Nach Hause.«
»Na also«, kommentierte Sabrina zufrieden. »Da hörst du es.«
»Aber wie stellst du dir das vor, Sabrina?«, meinte ihre Mutter. »Wir können doch unmöglich einen Außerirdischen bei uns zu Hause beherbergen. Ich meine … das geht doch nicht!«
»Wieso denn nicht?«
»Wir wissen ja nicht einmal, was er isst. Am Ende vergiften wir ihn, und dann?«
»Wenn ich ein Weltraumforscher wäre, dann hätte ich ein Gerät dabei, mit dem ich feststellen kann, was ich essen darf und was nicht. Jede Wette, dass er auch so ein Ding hat.«
»Ich weiß nicht … Wolfgang, sag du doch auch mal was! Müssten sich nicht irgendwelche Wissenschaftler darum kümmern? Wer ist denn für so was zuständig?«
Wolfgang Mattek räusperte sich. »Das überlege ich auch schon die ganze Zeit. Im Grunde das Außenministerium, denke ich. Ich meine, Kelwitt ist ja wohl mit Sicherheit Ausländer …«
»Ich halt’s nicht aus!«, entfuhr es seiner Tochter. »Ja, klar, und garantiert hat er kein Visum. Womöglich nicht mal einen Pass. Ein illegaler Einwanderer!«
»Streng nach den Buchstaben des Gesetzes«, räumte Mattek ein, »durchaus.«
»Und? Wird man ihn abschieben? Das glaubst du doch selber nicht. Wie will man denn das machen? Ihn in ein Space Shuttle stecken? Aufschneiden werden sie ihn und nachsehen, wie es in ihm aussieht!«
»Unsinn. Unsere Regierung schneidet niemanden auf.«
»Unsere Regierung besteht überhaupt nur aus Aufschneidern«, gab Sabrina zornig zurück.
»Das mag sein, aber ich glaube trotzdem, dass das ein Fall für offizielle Stellen …«
»Sie werden uns zum Schweigen bringen«, prophezeite Sabrina düster. »Kelwitt wird auf Nimmerwiedersehen in irgendwelchen amerikanischen Labors verschwinden, und die Familie Mattek wird durch einen bedauerlichen Unfall vollständig ausgelöscht.«
»Du siehst zu viel fern.«
»Vielleicht lese ich auch nur zu viel Zeitung. Die Amerikaner haben in den fünfziger Jahren ahnungslose Leute systematisch mit radioaktiver Strahlung verseucht, um herauszufinden, wie die auf Menschen wirkt. Von den Russen ganz zu schweigen. Was glaubst du, was die mit einem
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