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Kennedys Hirn

Kennedys Hirn

Titel: Kennedys Hirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Arme.
    »Sie schulden mir nichts.«
    Er sagte es mit solchem Nachdruck, daß sie nicht weiter insistierte. Die Situation war Mitsos offensichtlich peinlich, er suchte nach etwas, was er sagen konnte. Ihr fiel ein, daß er sie schon früher zuweilen an Artur erinnert hatte. In ihrer beider Unfähigkeit, mit Gefühlen umzugehen, lag etwas, was sie anrührte.
    »Leandros ist krank. Der alte Wachmann. Wie haben Sie ihn genannt? Er war Ihr Phylakas Anghelos.«
    »Unser Schutzengel. Was fehlt ihm?«
    »Er begann zu torkeln, wenn er ging. Dann ist er umgefallen. Zuerst glaubten sie, es sei der Blutdruck. In der vorigen Woche fanden sie einen großen ongos in seinem Kopf. Ich glaube, es heißt Tumor.«
    »Liegt er im Krankenhaus?«
    »Er weigert sich. Er will nicht, daß sie ihm den Schädel öffnen. Lieber stirbt er. «
    »Armer Leandros.«
    »Er hat ein langes Leben gehabt. Er selbst findet, daß er jetzt sterben darf. OH prepi na teleiossi, tha teleiossi, wie wir sagen: >Was ein Ende finden muß, findet auch ein Ende.<«
    Mitsos stand auf, um zu gehen.
    »Ich denke, daß ich morgen abreise. Ich fahre nach Schweden.«
    »Kommen Sie im nächsten Jahr zurück?«
    »Ich komme zurück.«
    Sie konnte sich nicht bremsen. Der Vogel flog auf, ohne daß es ihr gelungen wäre, ihn zurückzuhalten.
    Mitsos war schon in der Tür, als er sich umwandte. »Es war jemand hier und hat Sie gesucht.«
    Augenblicklich war sie auf der Hut. Mitsos hatte an die Stolperdrahte gerührt, die sie umgaben.
    »Wer war es?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ein Grieche?«
    »Nein. Er sprach Englisch. Er war groß, dünnes Haar, mager. Er hatte eine helle Stimme. Er fragte nach Ihnen. Dann besuchte er Ihre Ausgrabung. Es schien, als wüßte er, was geschehen war. «
    Louise dachte mit Entsetzen, daß es Aron sein konnte, den Mitsos beschrieb. »Hat er seinen Namen nicht genannt?«
    »Murray. Ich weiß nicht einmal, ob es ein Vorname oder ein Nachname ist.«
    »Beides. Erzählen Sie genau, was war. Wann kam er? Was wollte er? Wie kam er? Im Auto? Kam er zu Fuß die Straße entlang? Hatte er das Auto so geparkt, daß es von hier aus nicht sichtbar war?«
    »Warum um Himmels willen hätte er das tun sollen?«
    Louise fühlte, daß sie nicht mehr in der Lage war, Umwege zu gehen. »Weil er vielleicht gefährlich war. Weil er vielleicht der Mann war, der Henrik getötet hat - und vielleicht auch meinen Mann. Weil er vielleicht auch mich töten wollte.«
    Mitsos sah sie ungläubig an und schien widersprechen zu wollen. Sie hob die Hand und hinderte ihn daran zu sprechen. »Ich möchte, daß Sie mir glauben. Nichts anderes. Wann kam er?« »Vorige Woche. Letzten Donnerstag. Am Abend. Er klopfte an die Tür. Ich hatte kein Auto gehört. Die Hunde hatten nicht gebellt. Er hat nach Ihnen gefragt.«
    »Wissen Sie noch, was genau er gesagt hat?«
    »Er fragte, ob ich wüßte, ob Frau Cantor zu Hause sei.«
    »Er hat nicht Louise gesagt?«
    »Nein. Frau Cantor.«
    »Hatten Sie ihn schon einmal gesehen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie das Gefühl, daß es jemand war, der mich kannte?«
    Mitsos zögerte, bevor er antwortete. »Ich glaube nicht, daß er Sie kannte.«
    »Was haben Sie ihm geantwortet?«
    »Daß Sie nach Schweden gefahren wären und daß ich nicht wüßte, wann Sie zurückkämen.«
    »Sie haben gesagt, er habe die Ausgrabung besucht?«
    »Das hat er am nächsten Tag getan.«
    »Was geschah dann?«
    »Er fragte, ob ich nicht doch wüßte, wann Sie zurückkämen. Da fand ich, daß er die Neugier ein bißchen übertrieb. Ich sagte ihm, daß ich nichts weiter zu sagen hätte und gerade beim Abendessen sei.«
    »Was hat er da gesagt?«
    »Er entschuldigte sich, daß er mich gestört hat. Aber das meinte er nicht ernst.«
    »Warum glauben Sie das?«
    »Das merkt man. Er war freundlich, aber ich mochte ihn nicht.«
    »Und danach?«
    »Er verschwand in der Dunkelheit. Ich machte die Tür zu.«
    »Haben Sie einen Wagen starten hören?«
    »Nein. Und die Hunde schwiegen immer noch.«
    »Danach ist er nicht mehr wiedergekommen?«
    »Ich habe ihn nicht mehr gesehen.«
    »Und kein anderer hat nach mir gefragt?«
    »Keiner.«
    Louise sah ein, daß sie nicht mehr erfahren würde. Sie dankte Mitsos, der zu seinem Haus zurückging. Sobald sie seine Haustür zuschlagen hörte, schloß sie ab und fuhr davon. An der Straße nach Athen lag das Hotel Nemea, in dem sie einmal übernachtet hatte, als es in ihrem Haus einen Wasserrohrbruch gegeben hatte. Sie war fast allein im Hotel und

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