Kennen Wir Uns Nicht?
kein Interesse.«
»Du schaffst es schon.«
»Wenn ich mit ihm reden kann, wird es klappen. Aber am liebsten würden sie mich bestimmt abwimmeln. Die haben keine Zeit mehr, sich mit mir zu unterhalten.« Ich seufze und greife nach der Beifahrertür. Draußen regnet es in Strömen, aber ich kann ja nicht die ganze Nacht hier sitzen bleiben.
»Lexi ...«
Der Klang in Jons Stimme lässt mich aufschrecken.
»Lass uns ... reden«, sage ich eilig. »Irgendwann.«
»Okay.« Einen Moment sieht er mir in die Augen. »Irgendwann. Abgemacht.« Er steigt aus, versucht vergeblich, sich mit den Händen gegen den Regen zu schützen. »Ich such mir ein Taxi. Mach schon ... lauf!« Er zögert, dann gibt er mir einen Kuss auf die Wange und geht.
Ich renne so schnell durch den Regen zur Haustür, dass mir fast der kostbare Ordner aus der Hand fällt. Dann stehe ich unter dem Säulenvorbau und fühle Hoffnung keimen, als ich an meinen Deal denke. Obwohl es stimmt, was ich gesagt habe. Wenn ich nicht mit Simon Johnson sprechen kann, ist alles verloren.
Und plötzlich sinke ich in mich zusammen, als mir meine Lage bewusst wird. Was habe ich mir eigentlich gedacht? Was auch in diesem Ordner stecken mag - man wird mir keine Chance geben, oder? Ich bin nicht mehr die Kobra. Ich bin nicht Lexi, das Wunderkind. Ich bin erinnerungsbehindert, eine Schande für die Firma, eine völlige Versagerin. Simon Johnson wird mir keine fünf Minuten widmen, geschweige denn, mich wirklich anhören.
Mir ist nicht nach dem Fahrstuhl zumute. Zur sichtlichen Überraschung des Portiers steuere ich auf die Treppe zu und trabe die schimmernden Stufen aus Stahl und Glas hinauf, die kein Bewohner je benutzt. In der Wohnung stelle ich den ferngesteuerten Kamin an und versuche, es mir auf dem cremefarbenen Sofa gemütlich zu machen. Aber die Kissen sind alle irgendwie unbequem, und ich furchte, mein regennasser Kopf könnte Flecken auf dem Stoff hinterlassen, also stehe ich schließlich auf und gehe in die Küche, um mir einen Becher Tee zu machen.
Nach dem ganzen Adrenalin an diesem Tag bin ich bleiern vor Enttäuschung. Ich habe also ein paar Dinge über mich erfahren. Na und? Kein Grund, gleich den Kopf zu verlieren und mich in etwas reinzusteigern, oder? Der ganze Tag - Jon, der Deal, einfach alles - kommt mir wie ein unwirklicher Traum vor. Ich werde die Abteilung Bodenbeläge niemals retten. Simon wird nichts von mir wissen wollen, mich nie im Leben so einen Deal durchziehen lassen. Es sei denn ...
Es sei denn ...
Nein.
Das kann ich nicht machen. Oder?
Ich erstarre, als ich die Folgen bedenke. Wie Hintergrundmusik erklingt Simon Johnsons Stimme in meinem Kopf.
Würden Sie Ihr Gedächtnis wiederfinden, Lexi, dann sähe die Sache anders aus.
Würde ich mein Gedächtnis wiederfinden, dann sähe die Sache anders aus.
Das Wasser kocht, aber ich merke es gar nicht. Wie im Traum zücke ich mein Handy und wähle.
»Fi«, sage ich, als sich ihre Stimme meldet. »Sag nichts. Hör zu.«
NEUNZEHN
Du bist ein Biest. Der Boss. Die Kobra.
Ich betrachte mich im Spiegel und trage den Lippenstift noch dicker auf. Er ist hell, ein gräuliches Rosa, das ohne Weiteres »Bossbitch« heißen könnte. Meine Haare sind streng zurückgekämmt, und ich trage das nüchternste Kostüm, das in meinem Schrank zu finden war. Den engsten Bleistiftrock, die spitzesten Pumps. Eine weiß-grau gestreifte Bluse. Die Botschaft, die mein Aufzug kundtut, ist nicht zu übersehen: Es geht nur ums Geschäft.
Gestern habe ich zwei Stunden mit Jeremy Northpool verbracht, in seinem Büro in Reading, und jedes Mal, wenn ich daran denke, werde ich ganz unruhig. Alles ist bereit. Wir wollen beide, dass der Deal klappt. Jetzt hängt es an mir.
»Du siehst nicht fies genug aus.« Fi steht im blauen Hosenanzug neben mir und mustert mich kritisch. »Du musst noch böser gucken.«
Ich verziehe das Gesicht, aber jetzt sehe ich eher aus, als müsste ich niesen.
»Nein.« Fi schüttelt den Kopf. »Das ist immer noch nicht richtig. Du hattest diesen richtig kalten Blick. So etwa: >Steh mir nicht im Weg, du nichtswürdiger Wurm!<« Sie schiebt die Augenbrauen zusammen und spricht mit harter, abschätziger Stimme. »Ich bin der Boss, und hier wird gemacht, was ich sage.<«
»Das ist wirklich gut!« Bewundernd wende ich mich zu ihr um. »Du solltest es machen! Wir tauschen.«
»Ja, genau.« Sie schubst mich. »Los, noch mal! Guck böse!«
»Geh mir aus dem Weg, du Wurm!«, knurre ich wie die
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