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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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deutet in die Runde. »Und als der Nachmittag halb rum war, haben wir geschwiegen. Wir wussten es beide.«
    Er sieht mich mit seinen dunklen Augen an, und ich spüre einen Ruck, tief in mir. Er steht auf und kommt zu mir. »Wir wussten beide, dass es unausweichlich war«, sagt er leise.
    Wie angewurzelt stehe ich da. Sanft nimmt er mir das Weinglas ab und hält meine Hände.
    »Lexi ...« Er drückt sie an seinen Mund, schließt die Augen und küsst sie zärtlich. »Ich wusste ...« Seine Stimme klingt ganz dumpf an meiner Hand. »Dass du zurückkommst... ich wusste, dass du zu mir zurückkommst.«
    »Hör auf!« Ich reiße mich los. Plötzlich rast mein Herz. »Du hast... du hast doch überhaupt keine Ahnung!«
    »Was ist denn?« Jon sieht aus, als hätte ich ihn geohrfeigt.
    Ich weiß selbst nicht, was mit mir ist. Ich sehne mich so sehr nach ihm. Jede Faser meines Körpers sagt mir, dass ich mich darauf einlassen sollte. Aber ich kann nicht.
    »Was los ist? Ich dreh gleich durch!«
    »Wieso?« Er wirkt verblüfft.
    »Wegen allem hier!« Ich zeige auf die Sonnenblumen. »Das ist alles zu viel. Du präsentierst mir diese ... diese ... ausgewachsene Beziehung. Aber ich stehe noch ganz am Anfang.« Ich nehme einen großen Schluck Wein und versuche, ruhig zu bleiben. »Ich hänge zu weit hinterher. Wir sind nicht gleichauf.«
    »Das gleichen wir aus«, sagt er eilig. »Wir überlegen uns was. Ich gehe auch wieder zum Anfang zurück.«
    »Du kannst nicht zum Anfang zurück!« Ernüchtert fahre ich mir mit den Fingern durchs Haar. »Jon, du bist ein cooler Typ, attraktiv und geistreich. Und ich mag dich wirklich. Aber ich liebe dich nicht. Wie könnte ich? Ich habe das alles nicht getan. Ich kann mich an nichts davon erinnern.«
    »Ich erwarte nicht, dass du mich liebst ...«
    »Doch, das tust du. Das tust du! Du erwartest von mir, dass ich sie werde.«
    »Du bist sie.« Plötzlich klingt er fast böse. »Erzähl keinen Unsinn. Du bist die Frau, die ich liebe. Glaub‘s mir, Lexi.«
    »Ich weiß aber nichts davon!« Ich werde immer lauter. »Ich weiß nicht, ob ich es bin, okay? Bin ich sie? Bin ich ich?«
    Zu meinem Entsetzen kommen mir die Tränen. Ich habe keine Ahnung, wieso. Ich wende mich ab und wische mir übers Gesicht, schlucke, kann mich nicht beherrschen.
    Ich möchte sie sein. Ich möchte das Mädchen sein, das lachend auf dem Baumstumpf sitzt. Aber ich bin es nicht.
    Endlich kriege ich mich in den Griff und drehe mich um. Jon steht immer noch da wie vorher, aber bei seinem trostlosen Blick krampft sich mir das Herz zusammen.
    »Ich sehe die Sonnenblumen.« Ich schlucke. »Und die Fotos. Und alle meine Sachen hier. Und ich begreife, was passiert ist. Aber es kommt mir vor wie eine Romanze zwischen Leuten, die ich gar nicht kenne.«
    »Du bist es«, sagt Jon mit leiser Stimme. »Ich bin es. Wir beide.«
    »Mein Kopf weiß es. Aber ich spüre es nicht. Ich weiß es nicht.« Ich balle eine Faust an meiner Brust und merke, wie mir schon wieder die Tränen kommen. »Wenn ich mich wenigstens an irgendwas erinnern könnte. Wenn da eine Erinnerung wäre, an die ich anknüpfen könnte ...« Jon starrt die Sonnenblumen an.
    »Also, was willst du mir sagen?«
    »Ich will sagen ... ich weiß nicht! Ich weiß es nicht. Ich brauche Zeit... ich brauche ...« Hilflos zucke ich mit den Schultern.
    Regentropfen fallen auf den Balkon. Ein Windstoß fegt vorbei, und die Sonnenblumen schwanken, als nickten sie.
    Nach einer Weile nickt Jon auch. »Soll ich dich nach Hause fahren?« Er blickt auf und sieht mich an. Da ist kein Zorn mehr.
    »Ja.« Ich wische mir die Augen und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. »Bitte.«
    Es dauert nur eine Viertelstunde bis zu mir nach Hause. Wir reden nicht. Ich klammere mich wieder an meinen blauen Ordner, und Jon schaltet zurück, beißt die Zähne zusammen. Er stellt den Mercedes auf meinen Parkplatz, und einen Moment rühren wir uns beide nicht von der Stelle. Bald daraufprasselt der Regen auf das Verdeck, und es blitzt.
    »Du musst rennen«, sagt Jon, und ich nicke.
    »Wie kommst du zurück?«
    »Keine Sorge.« Er gibt mir die Schlüssel, weicht meinem Blick aus. »Viel Glück damit.« Er nickt zum Ordner. »Ehrlich.«
    »Danke.« Ich streiche mit der Hand über den Pappdeckel, beiße mir auf die Unterlippe. »Obwohl ich gar nicht weiß, wie ich Simon Johnson dazu bewegen soll, mit mir darüber zu sprechen. Er hat mich degradiert. Meine Glaubwürdigkeit ist dahin. Der hat bestimmt gar

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