Kennen Wir Uns Nicht?
Idee. Können wir ihr vertrauen?«
»Mir vertrauen?« Amys Stimme wird scharf vor Neugier. »Wobei?« Sie kommt näher, mit leuchtenden Augen. »Habt ihr etwa ein Geheimnis?«
»Okay.« Ich treffe eine spontane Entscheidung. »Hör zu, Amy.« Ich flüstere. »Du kannst mitkommen. Ich verrate dir was: Ich will allen erzählen, dass ich mich an alles erinnern kann, dass ich wieder die Alte bin, damit ein bestimmter Deal klappt. Obwohl es gar nicht stimmt. Kapiert?«
Amy starrt mich an. Ich sehe, dass ihr Verstand rotiert, um das alles zu verarbeiten. Es birgt gewisse Vorteile, wenn die kleine Schwester eine begnadete Schwindlerin ist.
»Du willst also so tun, als wärst du die alte Lexi«, sagt sie.
„Ja.«
»Dann müsstest du aber fieser aussehen.«
»Hab ich auch schon gesagt«, sagt Fi.
»Als würdest du alle für ... Knechte halten.«
»Genau.«
Beide scheinen ihrer Sache so sicher zu sein, dass es mich kränkt. »War ich denn nie nett?«, sage ich etwas wehleidig.
»Oh ... doch!«, sagt Fi wenig überzeugend. »Oft genug. Jetzt komm!«
Als ich die Glastüren des Gebäudes aufdrücke, setze ich meine finsterste Miene auf. Flankiert von Fi und Amy stolziere ich über den Marmor auf den Empfang zu. Jetzt geht‘s los. Showtime.
»Hi«, knurre ich Jenny an. »Das ist Amy, vorübergehend meine Praktikantin. Geben Sie ihr bitte einen Ausweis. Zu Ihrer Information: Ich bin voll wiederhergestellt, und sollten Sie Post für mich haben, möchte ich mal wissen, wieso die noch nicht oben ist.«
»Ausgezeichnet!«, flüstert Fi an meiner Seite.
»Da ist nichts für Sie, Lexi.« Jenny wirkt etwas perplex, als sie Amys Ausweis fertigmacht. »Also ... Sie können sich wieder an alles erinnern, ja?«
»An alles. Komm, Fi. Wir sind spät genug dran. Ich muss mit meinen Leuten reden. Die lassen sich gehen.«
Ich stolziere voran, zu den Fahrstühlen. Gleich daraufhöre ich Jenny hinter mir, wie sie aufgeregt sagt: »Rate mal, was passiert ist? Lexi kann sich wieder erinnern!« Ich sehe mich um, und tatsächlich hängt sie schon am Telefon.
Der Fahrstuhl plingt. Fi, Amy und ich steigen ein, und als die Türen zu sind, kichern wir los.
»High Five!« Fi hebt ihre Hand. »Das war große Klasse!«
Wir steigen im 8. Stock aus, und hoch erhobenen Hauptes marschiere ich direkt auf Natashas Schreibtisch zu.
»Hi, Natasha«, sage ich knapp. »Ich vermute, Sie haben bereits erfahren, dass mein Gedächtnis wieder funktioniert. Ich muss so schnell wie möglich mit Simon sprechen.«
»Ja, ich habe es schon gehört.« Natasha nickt. »Aber ich furchte, Simon ist heute Morgen ziemlich ausgebucht...«
»Dann drehen Sie es so, dass es passt! Sagen Sie jemandem ab! Es ist dringend.«
»Okay!« Hastig tippt Natasha auf ihrer Tastatur herum. »Ich könnte Sie um ... halb elf einschieben?«
»Fantas- ...« Ich stocke, als Fi mich anstößt. »Das wäre nett«, sage ich und werfe Natasha meinen bösesten Blick zu, um auf Nummer sicher zu gehen. »Komm, Fl!«
Gott im Himmel, diese ewige Kläfferei ist anstrengend. Das zieht einen ziemlich runter, und dabei mache ich es erst seit zehn Minuten.
»Halb elf«, sagt Amy, als wir wieder in den Fahrstuhl steigen. »Ist doch cool. Wohin jetzt?«
»Zur Abteilung Bodenbeläge.« Ich merke, wie meine Nerven verrücktspielen. »Ich muss diese Rolle bis halb elf durchhalten.«
»Viel Glück.« Fi drückt kurz meine Schulter, und die Fahrstuhltür geht auf.
Als wir den Flur entlanggehen, wird mir etwas übel. Ich kann das, sage ich mir immer wieder. Ich kann eine Bossbitch sein. An der Tür zum Großraumbüro bleibe ich einen Moment stehen und sehe mich um. Dann hole ich tief Luft.
»Ach ... ?!«, sage ich harsch und sarkastisch. »Heftchen lesen ist also Arbeit, ja?«
Melanie, die in einer Illustrierten geblättert hat, mit einem Telefonhörer unterm Kinn, zuckt zusammen, als hätte sie sich daran verglüht, und läuft rot an.
»Ich hab nur ... ich warte, dass ich zur Buchhaltung durchgestellt werde ...« Eilig klappt sie ihr Heft zu.
»Über diese Arbeitsmoral unterhalten wir uns noch.« Ich lasse meinen bösen Blick durch den Raum schweifen. »Dabei fällt mir ein: Hatte ich nicht schon vor zwei Monaten um eine komplette, schriftliche Spesenaufschlüsselung gebeten? Von jedem Einzelnen? Die möchte ich sehen.«
»Wir dachten, du hättest es vergessen«, sagt Carolyn verdutzt.
»Tja, es ist mir wieder eingefallen.« Ich schenke ihr ein süßes, vernichtendes Lächeln. »Ich kann
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