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Kennen Wir Uns Nicht?

Kennen Wir Uns Nicht?

Titel: Kennen Wir Uns Nicht? Kostenlos Bücher Online Lesen
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böse Hexe aus dem Märchen. »Ich bin der Boss, und hier wird gemacht, was ich sage.«
    »Ja!« Sie applaudiert. »Schon besser. Und widme den Leuten nie mehr als einen kurzen Blick, so als könntest du deine Zeit nicht mit ihnen vergeuden.«
    Ich seufze und sinke aufs Bett. Dieses ganze bitchige Benehmen macht müde. »Ich war eine blöde Kuh, oder?«
    »Du warst ja nicht die ganze Zeit so«, räumt Fi ein. »Aber wir dürfen nicht riskieren, dass jemand etwas ahnt. Je böser, desto besser.«
    Fi trainiert mich seit vierundzwanzig Stunden. Sie hat gestern krankgemacht, kam rüber und brachte Frühstück mit. Am Ende waren wir so eifrig dabei, dass wir gar nicht aufhören konnten. Sie hat ihre Sache richtig gut gemacht. Ich weiß alles. Ich weiß, was auf der letzten Weihnachtsfeier passiert ist. Ich weiß, dass Byron letztes Jahr wutentbrannt ein Meeting verlassen und mich als arroganten Niemand beschimpft hat. Ich weiß, dass die PVC-Verkäufe letzten März um zwei Prozent gestiegen sind, aufgrund der Bestellung einer Schule in Wokingham, die sich dann über die Farbe beschwert hat und uns verklagen wollte.
    Mein Kopf ist so vollgestopft mit Fakten, dass er bald platzt. Und das alles ist noch nicht mal das Wichtigste.
    »Wenn du in dein Büro gehst, knallst du immer die Tür hinter dir zu«, erklärt mir Fi. »Dann kommst du wieder raus und willst einen Kaffee. In der Reihenfolge.«
    Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ich wie die alte Bossbitch Lexi rüberkomme und alle täusche. Ich lege meinen Lippenstift weg und nehme meine Aktenmappe.
    »Hol mir einen Kaffee«, belle ich mich selbst an. »Aber zack zack!«
    »Schieb die Augenbrauen noch mehr zusammen ...« Fi betrachtet mich, dann nickt sie. »So ist‘s gut.«
    »Fi ... danke.« Ich drehe mich zu ihr um und umarme sie. »Du bist die Größte.«
    »Wenn du das schaffst, bist du die Größte.« Sie zögert, dann fugt sie hinzu: »Selbst wenn du es nicht schaffst. Du müsstest dir die ganze Mühe eigentlich nicht machen, Lexi. Ich weiß, dass sie dir einen fetten Job angeboten haben, auch wenn sie die Abteilung schließen.«
    »Ja, na ja.« Verlegen reibe ich an meiner Nase herum. »Darum geht es nicht. Komm, gehen wir!«
    Als wir im Taxi zum Büro fahren, ist mir vor Aufregung ganz flau im Magen und nicht zum Plaudern zumute. Ich muss verrückt sein! Ich weiß, dass ich verrückt bin. Aber was anderes fällt mir nicht ein.
    »Meine Güte, hab ich Lampenfieber«, murmelt Fi, als wir da sind. »Und dabei muss ich gar nichts tun. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich es Debs und Carolyn gegenüber verheimlichen soll.«
    Wir haben den anderen nicht erzählt, was wir vorhaben. Wir dachten uns, je weniger Leute davon wissen, desto besser.
    »Tja, Fi, dann wirst du dich eben etwas anstrengen müssen, okay?«, fahre ich sie mit meiner neuen Lexi-Stimme an und muss fast lachen, als ich ihr erschrockenes Gesicht sehe.
    »Gut. Du machst einem Angst. Sehr gut.«
    Als wir aussteigen, gebe ich dem Taxifahrer sein Geld und übe meinen bösen Blick, als ich das Wechselgeld entgegennehme.
    »Lexi?«, höre ich eine Stimme hinter mir. Ich sehe mich um, bereit, einem Ahnunglosen meine genervte Lexi-Miene zu präsentieren, merke aber leider, wie sie mir entgleitet.
    »Amy? Was machst du denn hier?«
    »Ich hab auf dich gewartet.« Etwas trotzig streicht sie eine Haarsträhne zurück. »Ich bin hier, um bei dir ein Praktikum zu machen.«
    »Du ... was?«
    Während das Taxi abfährt, glotze ich sie ungläubig an. Sie trägt ultrahohe High Heels, Netzstrümpfe, einen winzigen Minirock mit Nadelstreifenmuster und passender Weste. Das blaugesträhnte Haar hat sie zum Pferdeschwanz gebunden. An ihrem Revers steckt ein Button, auf dem steht Man muss nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten, aber lesbisch.
    »Amy ...« Ich fasse mir an den Kopf. »Heute ist kein guter Tag...«
    »Du hast es gesagt!« Ihre Stimme bebt. »Du hast gesagt, du kümmerst dich darum. Ich hab mich echt angestrengt, um herzukommen. Ich bin früh aufgestanden und alles. Mum hat sich echt gefreut. Und sie hat gesagt, du würdest dich auch freuen.«
    »Ich freue mich ja! Aber ausgerechnet heute ...«
    »Das hast du letztes Mal auch gesagt. Du hast doch eigentlich gar kein Interesse an mir.« Sie wendet sich ab und öffnet ihren Pferdeschwanz. »Na super. Ich will deinen Scheißjob sowieso nicht haben.«
    »Vielleicht ist sie ein kleiner Störsender«, raunt Fi mir zu. »Unter Umständen ist das sogar eine gute

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