Kennen Wir Uns Nicht?
zu und bin mir sicher, dass er dasselbe denkt.
»Egal. Wir stehen ja noch ganz am Anfang.« Eric lächelt, als er das Hochzeitsalbum zuklappt, aber ich merke, dass auch er enttäuscht ist.
»Was ist, wenn ich mich nie mehr erinnere?« Ich sehe mich um. »Was ist, wenn alle diese Erinnerungen einfach verloren sind und ich sie nie mehr zurückbekomme? Nie wieder?«
Als ich die besorgten Mienen um mich herum sehe, fühle ich mich plötzlich ohnmächtig und verletzlich. Wie damals, als mein Computer abgestürzt ist und ich alle meine E-Mails verloren habe, nur tausendmal schlimmer. Der Reparaturmensch hat mir gesagt, ich hätte Sicherungskopien anlegen sollen. Aber wie legt man eine Sicherungskopie des eigenen Gehirns an?
Am Nachmittag gehe ich zu einem Neuropsychologen, einem freundlichen Jeansträger namens Neil. Wir sitzen am Tisch und machen Tests. Und ich muss sagen: Ich halte mich wacker. Ich kann mir fünfzig Worte von einer Liste merken. Ich kann mir eine Kurzgeschichte merken. Ich male ein Bild allein aus dem Gedächtnis.
»Das läuft ausgesprochen gut, Lexi«, sagt Neil, nachdem er das letzte Testfeld ausgefüllt hat. »Ihre motorischen Fähigkeiten sind voll da, Ihr Kurzzeitgedächtnis ist in Ordnung, Sie haben keine größeren kognitiven Probleme ... aber Sie leiden unter einer schweren retrograden Amnesie. So etwas ist sehr selten.«
»Aber wieso?«
»Nun, es hängt damit zusammen, wie Sie sich den Kopf gestoßen haben.« Eifrig beugt er sich vor, zeichnet die Umrisse eines Schädels auf ein Blatt Papier und fugt dann ein Gehirn hinzu. »Sie haben etwas, was wir Peitschenschlag-Syndrom nennen. Als Sie gegen die Windschutzscheibe geprallt sind, flog Ihr Gehirn im Schädel herum, und ein kleiner Bereich Ihres Hirns wurde - sagen wir - gequetscht. Es könnte sein, dass Ihr Erinnerungsspeicher Schaden genommen hat... oder es könnte auch sein, dass eine Nervenbahn beschädigt wurde, Ihr Zugang zu den Erinnerungen. Der Speicher ist in Ordnung, wenn Sie so wollen, aber Sie kriegen die Tür nicht auf.«
Seine Augen leuchten, als wäre das alles wunderbar, und ich sollte stolz auf mich sein.
»Können Sie mir keinen Elektroschock verpassen?«, sage ich frustriert. »Oder mir eins über den Schädel ziehen?«
»Leider nicht.« Es scheint ihn zu amüsieren. »Entgegen der landläufigen Meinung kommt die Erinnerung leider nicht zurück, wenn man jemandem, der unter Amnesie leidet, etwas an den Kopf schlägt. Das sollten Sie lieber gar nicht erst versuchen.« Er schiebt seinen Stuhl zurück. »Kommen Sie, ich bringe Sie auf Ihr Zimmer zurück.«
Als wir dort ankommen, sitzen Mum und Amy immer noch da und sehen sich die DVD an, während Eric telefoniert. Sofort beendet er das Gespräch und klappt sein Handy zu. »Wie ist es gelaufen?«
»Woran hast du dich erinnert, Liebes?«, will Mum wissen.
»An nichts.«
»In vertrauter Umgebung kehrt Lexis Erinnerungsvermögen sicher von ganz allein zurück«, sagt Neil beschwichtigend. »Auch wenn es etwas dauern könnte.«
»Okay.« Eric nickt ernst. »Und was jetzt?«
»Nun.« Neil blättert meine Krankenakte durch. »Sie sind körperlich in guter Verfassung, Lexi. Ich würde sagen, Sie können morgen entlassen werden. Ich merke Sie als ambulante Patientin vor. Einen Monat sollten Sie am besten noch zu Hause bleiben.« Er lächelt. »Sicher können Sie es gar nicht erwarten.«
»Ja!«, sage ich nach einer kurzen Pause. »Zuhause. Toll.«
Während ich die Worte sage, merke ich, dass ich nicht weiß, was ich mit »Zuhause« meine. Zuhause war meine Wohnung in Balham. Und die ist weg.
»Wie ist Ihre Adresse?« Er holt einen Kuli hervor. »Für meine Unterlagen.«
»Ich ... weiß nicht genau.«
»Ich schreibe es Ihnen auf«, sagt Eric hilfsbereit und nimmt den Stift.
Es ist doch verrückt. Ich weiß nicht mehr, wo ich wohne. Ich bin wie eine verwirrte, alte Dame.
»Nun denn, viel Glück, Lexi.« Neil sieht Eric und Mum an. »Sie können helfen, indem Sie Lexi so viele Informationen wie möglich über ihr Leben geben. Schreiben Sie alles auf. Bringen Sie sie an Orte, die sie kannte. Sollte es Probleme geben, rufen Sie mich an.«
Die Tür fallt hinter Neil ins Schloss, und es herrscht Schweigen, abgesehen vom Geplapper aus dem Fernseher. Mum und Eric tauschen Blicke. Wäre ich Verschwörungstheoretikerin, würde ich sagen, die beiden haben bereits einen Plan ausheckt.
»Was ist denn?«
»Liebling, deine Mutter und ich haben vorhin schon überlegt, wie wir
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