Kennen Wir Uns Nicht?
Jon?«
»Niemand«, schießt es aus mir heraus. »Nur so ein ... Typ. Niemand eigentlich.«
Alles klar! Es gibt keinen einzigen Beweis. Hätte ich wirklich eine Affäre, hätte ich auch Spuren hinterlassen. Einen Brief oder ein Foto oder einen Tagebucheintrag. Oder Amy wüsste Bescheid oder sonst was ...
Aber entscheidend ist doch, dass ich mit Eric glücklich verheiratet bin. Das ist das Einzige, was zählt.
Es ist spät geworden. Mum und Amy sind schon vor einer ganzen Weile gegangen, nachdem wir es endlich geschafft hatten, den einen Whippet vom Balkon und den anderen aus Erics Whirlpool zu locken, wo er begeistert mit einem der Handtücher kämpfte. Und jetzt sitze ich mit Eric im Auto und fahre an der Themse entlang. Er trifft sich mit Ava, seiner Innenarchitektin, und meinte, ich sollte doch mitkommen und mir die Musterwohnung seines neuesten Projekts - »Blue 42« - ansehen.
Erics Gebäude heißen alle »Blue« mit irgendeiner Zahl. Es ist das Markenzeichen seiner Firma. Wie sich herausstellt, ist es im »Loft-Style Living«-Geschäft von ebenso entscheidender Bedeutung, ein Markenzeichen zu haben wie die richtige Musik, wenn man hereinkommt, und das richtige Besteck auf dem Mustertisch. Offenbar ist Ava ein Genie in der Auswahl des richtigen Bestecks.
Ich habe schon im Ehe-Handbuch einiges über Ava erfahren. Sie ist 48 und geschieden, hat zwanzig Jahre in L. A. gearbeitet und eine ganze Reihe von Büchern geschrieben, die Titel wie Troddel oder Gabel haben, und stattet alle Musterwohnungen für Erics Firma aus.
»Hey, Eric«, sage ich, als wir so durch die Gegend fahren. »Ich habe mir heute meine Kontoauszüge angesehen. Offenbar zahle ich regelmäßig Geld an etwas, das sich Unito nennt. Ich habe die Bank angerufen, und die haben gesagt, es ist ein Off-shore-Konto.«
»Mh-hm.« Eric nickt, als würde es ihn nicht im Geringsten interessieren. Ich warte, dass er noch etwas dazu sagt, aber er stellt das Radio an.
»Weißt du vielleicht mehr darüber?«, rufe ich gegen die Nachrichten an.
»Nein.« Er zuckt mit den Achseln. »Ist aber eigentlich keine schlechte Idee, etwas von deinem Geld in einer Steueroase anzulegen.«
»Okay.« Ich bin mit seiner Antwort ziemlich unzufrieden. Mir ist fast, als würde ich mich gleich mit ihm darüber streiten. Ohne eigentlich zu wissen, warum.
»Ich muss kurz tanken.« Eric hält an einer BP-Tankstelle. »Dauert nicht lange ...«
»Hey«, sage ich, als er die Tür aufmacht. »Könntest du mir ein paar Chips mitbringen? Salt‘n Vinegar, wenn sie die haben.«
»Chips?« Er dreht sich um und starrt mich an, als hätte ich ihn um Heroin angehauen.
»Ja, Chips.«
»Liebling.« Eric ist richtig konsterniert. »Du isst keine Chips. Das steht doch alles im Handbuch. Unsere Ernährungsberaterin empfiehlt kohlenhydratarme, proteinreiche Kost.«
»Ja, ja ... ich weiß. Aber jeder hat doch hin und wieder mal eine kleine Belohnung verdient, oder? Und ich hätte wirklich Lust auf Chips.«
Eric scheint nicht zu wissen, was er darauf antworten soll.
»Die Ärzte haben mich gewarnt, dass du vielleicht irrational werden und untypische Dinge tun könntest«, sagt er fast wie zu sich selbst.
»Es ist nicht irrational, eine Tüte Chips zu essen!«, protestiere ich. »Das ist doch kein Giftl«
»Liebste ... ich denke dabei doch nur an dich.« Eric spricht mit liebevoller Stimme. »Ich weiß, wie schwer es dir gefallen ist, diese zwei Kleidergrößen abzubauen. Und wir haben einiges in deinen persönlichen Fitnesstrainer investiert. Aber wenn du das alles wirklich wegen einer Tüte Chips wegwerfen willst, kann ich dich nicht davon abhalten ... also, möchtest du die Chips immer noch?«
»Ja«, sage ich etwas trotziger als beabsichtigt.
Ich kann Eric ansehen, dass er genervt ist, aber er verwandelt seinen Ärger in ein Lächeln.
»Kein Problem.« Laut fällt die Fahrertür ins Schloss. Ein paar Minuten später sehe ich, wie er forschen Schrittes aus der Tankstelle kommt, mit einer Tüte Chips in der Hand.
»Hier, bitteschön.« Er wirft sie mir auf den Schoß und lässt den Motor an.
»Dankeschön!« Ich lächle ihn an, bin aber nicht sicher, ob er es überhaupt merkt. Als er losfährt, versuche ich, die Tüte aufzureißen, aber meine linke Hand ist nach dem Unfall immer noch zu linkisch, und ich kann das Plastik nicht richtig festhalten. Schließlich nehme ich die Tüte zwischen die Zähne und reiße mit der rechten Hand daran, so fest ich kann ... und die ganze Tüte
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