Kennen Wir Uns Nicht?
erste Mal sind wir uns auf einer Loft-Einweihung wie dieser begegnet.« Jon spricht so leise, dass ich ihn bei der Musik kaum hören kann. »Ich wusste es gleich beim ersten Wort aus deinem Mund.«
»Was wusstest du?«
»Dass ich dich mochte.«
Ich schweige, und die Neugier nagt an mir.
»Was habe ich denn gesagt?«, flüstere ich schließlich zurück.
»Du hast gesagt: >Wenn ich diese Phrase noch mal höre, erschieß ich mich!<«
»Nein.« Ich starre ihn an, dann pruste ich los. Vor uns dreht sich ein Mann stirnrunzelnd um, und wie auf Kommando treten Jon und ich gleichzeitig einen Schritt zurück, bis wir ganz im Dunkeln stehen.
»Du solltest dich nicht verstecken«, sage ich. »Das ist dein großer Moment. Dein Loft.«
»Ach, na ja«, sagt er trocken. »Ruhm und Ehre überlasse ich Eric. Die kann er ruhig haben.«
Eine Weile sehe ich mir Eric an, wie er auf dem Bildschirm mit einem Helm auf dem Kopfüber eine Baustelle stapft.
»Ich begreif dich nicht«, sage ich leise. »Wenn du findest, dass Lofts nur was für reiche Wichser sind, wieso entwirfst du sie dann?«
»Gute Frage.« Jon nimmt einen Schluck von seinem Drink. »Ich sollte längst was anderes machen. Aber ich mag Eric. Er hat an mich geglaubt, er hat mir ganz am Anfang eine Chance gegeben, er hat eine großartige Firma ...«
»Du magst Eric?« Ungläubig schüttle ich den Kopf. »Klar. Deshalb drängst du mich ja auch, ihn zu verlassen.«
»Ja, ich mag ihn. Er ist ein netter Kerl. Er ist ehrlich, er ist loval ...« Einen Moment lang steht Jon schweigend neben mir. Seine Augen blitzen im trüben Licht. »Ich will Erics Leben nicht zerstören«, sagt er schließlich. »Das ist nicht der Plan.«
»Aber wieso ...«
»Er versteht dich nicht.« Jon sieht mich an. »Er hat keine Ahnung, wer du bist.«
»Aber du, ja?«, gebe ich zurück, als das Licht angeht und von allen Seiten applaudiert wird. Instinktiv rücke ich einen Schritt von Jon ab, und wir sehen uns gemeinsam an, wie Eric erneut das Podium erklimmt, strahlend vor Reichtum und Erfolg, als gehöre ihm die Welt.
»Und musstest du dich schon mit dem Montblanc auseinandersetzen?«, sagt Jon, während er begeistert applaudiert, offenbar besser gelaunt.
»Was meinst du mit >Montblanc« Ich werfe ihm einen argwöhnischen Blick zu.
»Du wirst es noch merken.«
»Sag es mir!«
»Nein, nein.« Er schüttelt den Kopf und presst den Mund zusammen, als müsste er sich das Lachen verkneifen. »Ich möchte dir die Überraschung nicht verderben.«
»Sag es mir!«
»Jon! Da bist du ja. Katastrophe!« Wir zucken beide vor Schreck zusammen, als plötzlich Ava hinter uns steht. Sie trägt einen schwarzen Hosenanzug, hält einen kleinen Leinenbeutel in der Hand und wirkt aufgebracht. »Die Ziersteine für das Aquarium im großen Schlafzimmer sind eben aus Italien eingetroffen. Aber ich muss mich um die Gedecke in der Küche kümmern. Irgendein Vollidiot hat sich daran zu schaffen gemacht ... Könntest du das bitte tun?« Sie drückt Jon den Leinenbeutel in die Hand. »Verteil die Steine einfach im Aquarium. Bis zum Ende der Präsentation müsste noch genügend Zeit sein.«
»Kein Problem.« Jon wiegt den Beutel mit beiden Händen, dann sieht er mich an, mit undurchsichtigem, undurchdringlichem Blick. »Lexi, möchtest du mitkommen und mir zur Hand gehen?«
Mir schnürt sich so fest die Kehle zusammen, dass ich kaum noch Luft bekomme. Das ist eine Einladung. Eine Herausforderung.
Nein. Ich muss Nein sagen.
»Mh ... ja.« Ich schlucke. »Gern.«
Ich fühle mich fast wie angeheitert, als ich Jon durch die Menge folge, die Treppe zum Zwischengeschoss hinauf, ins Schlafzimmer. Niemand beachtet uns. Die Leute verfolgen die Präsentation.
Wir gehen ins große Schlafzimmer, und Jon schließt hinter uns die Tür.
»So ...«, sagt er.
»Hör zu.« Meine Stimme schnappt fast über. »Ich kann so nicht weitermachen! Dieses ständige Flüstern, die Heimlichtuerei, der Versuch, meine Ehe zu ... zu zerstören. Ich bin glücklich mit Eric!«
»Nein.« Er schüttelt den Kopf. »In einem Jahr bist du nicht mehr mit ihm zusammen.« Er scheint seiner Sache so sicher zu sein, dass ich mich ärgere.
»Bin ich wohl!«, fahre ich ihn an. »Ich gehe davon aus, dass wir auch in fünfzig Jahren noch zusammen sind!«
»Du wirst alles versuchen, du wirst dich ihm anpassen ... aber dein Geist ist zu frei für ihn. Am Ende wirst du es nicht mehr aushalten.« Er atmet tief durch, drückt seine gefalteten Hände nach
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