Kennwort: Schwarzer Ritter

ist Maria?“
    „Unten“, antwortete Alison. „Sie ist nach unten gegangen und faltet die Wäsche.“
    Aus den Augenwinkeln sah Kate, dass Candace etwas unter einen Stapel Bücher schob. Diesmal verschwendete sie keine Zeit mit Fragen. Ohne Vorwarnung schob sie das Mädchen beiseite und zog das Blatt aus seinem Versteck.
    „He!“ schrie Candace. „Was machen Sie da?“
    „Nun, was haben wir denn hier?“ Kate hielt eine Schwarz-Weiß-Fotografie hoch, auf der ein ungepflegter Mann Mitte zwanzig mit langen, strähnigen schwarzen Haaren, einem Dreitagebart und einem schiefen Schneidezahn zu sehen war. Bis auf eine Gitarre, die er vor seinem Oberkörper trug, war er splitternackt und präsentierte stolz eine gewaltige Erektion.
    Kate wusste nicht, wie sie ihren Zorn im Zaum halten konnte, aber irgendwie gelang es ihr, denn ihr war klar, dass es nichts nützte, wenn sie jetzt an die Decke ginge. „Das nennst du also ‚Recherche’, Candace?“
    Candace sah vollkommen unschuldig aus. „Ich habe keine Ahnung, wie das dahin gekommen ist.“
    Das Mädchen log wie gedruckt. Wie konnte Megan das nur übersehen? Kate wandte sich an Alison. „Kannst du mir das erklären?“
    „Ähm …“ Alison warf Candace einen verzweifelten Blick zu. Aber die zuckte nur mit den Schultern, als ob sie sagen wollte, dass Alison nun alleine einen Ausweg finden musste. „Das ist das Foto … von einem Jungen.“
    „Woher hast du es?“
    „Dustin hat es uns geschickt.“
    „Woher kennst du diesen Dustin?“
    „Ich kenne ihn nicht … wirklich. Ich meine, wir haben ihn gerade erst kennen gelernt.“ Sie schluckte. „In einem Chatroom.“
    Kate sah rot. Seitdem sie von Molly und dem Schwarzen Ritter wusste, hatte sie Alison jeden Abend davor gewarnt, jemals in einen Chatroom zu gehen, den sie, Kate, vorher nicht überprüft hatte.
    „In einem Chatroom? Nachdem ich dir ausdrücklich verboten habe, so etwas zu tun?“
    „Ich wusste nicht …“
    „Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was für Leute sich in diesen Chatrooms herumtreiben? Dieser Mann könnte ein Kinderschänder oder ein Vergewaltiger sein. Oder ein Mörder.“
    Alison traten Tränen in die Augen. „Ich habe doch nichts Schlimmes getan, Mom. Ich meine … ich wusste nicht, dass er nackt sein würde, und dann war da auf einmal dieses Foto auf dem Bildschirm und …“ Sie schickte einen weiteren flehenden Blick zu Candace, die ihr endlich zu Hilfe kam.
    „Wir haben nur ein bisschen herumgesurft, Mrs. Logan. Es war nur eine ganz harmlose Sache, wirklich.“
    Kate hielt das Foto hoch und wedelte damit durch die Luft. „Der Mann ist nackt, Candace. Sieht das wie eine harmlose Sache aus? Wolltest du ihm auch ein entsprechendes Foto von dir schicken?“
    „Das geht ja nicht“, sagte Candace, während sie ihre roten Fingernägel betrachtete. „Sie haben keinen Scanner.“
    Kate schob sie weg und nahm sich Candace’ Bücher vor, von denen sie jedes Seite für Seite durchsuchte.
    „He, das ist mein Privatbesitz“, protestierte Candace. „Das können Sie nicht machen.“
    „Wenn du in
meinem
Haus bist“, sagte Kate, während sie das letzte Buch zurück auf den Tisch warf, „und
meinen
Computer benutzt, um Pornografie herunterzuladen, und
meine
dreizehnjährige Tochter da mit hineinziehst, dann ist dein Besitz mein Besitz. Hast du das verstanden?“
    „Mom, bitte, beruhige dich doch.“
    „Geh in dein Zimmer, Alison. Wir beide sprechen später miteinander.“
    Die Tür ging auf, und Maria betrat die Küche mit einem Korb Wäsche unter dem Arm. Sie sah bestürzt aus. Sie war eine kleine rundliche Frau mit straff gebundenen schwarzen Haaren und den scharf geschnittenen Gesichtszügen ihrer puertoricanischen Vorfahren. Sie war neunzehn Jahre lang Hausmädchen bei den Fairchilds gewesen und kannte Alison, seitdem sie ein Baby war. Als Kate aus dem Haus ihrer Schwiegereltern zog, hatte Douglas vorgeschlagen, dass Maria mit ihr gehen sollte, damit Alison jemanden hatte, der ihr vertraut war und von dem sie sich gerne versorgen ließ, wenn Kate bei der Arbeit war. Diese Regelung hatte ausgezeichnet funktioniert.
    „Was ist denn hier los?“ fragte die Haushälterin.
    „Ich bringe Candace nach Hause, Maria. Könntest du bei Alison bleiben, bis ich zurück bin?“
    „Natürlich.“ Abwechselnd schaute sie Kate und Alison an. „Was haben sie denn getan?“
    „Sie waren in einem Chatroom.“ Sie hielt das Foto hoch, damit Maria es sehen konnte. Marias Miene