Kennwort: Schwarzer Ritter
den Sinn kam. Aber sie musste an sie denken – nicht weil sie sie verdächtigte, ein Cybersex-Junkie zu sein, sondern wegen ihrer Reaktion, die sie neulich gezeigt hatte. Wenn sie nun über Mollys geheimen Zeitvertreib Bescheid gewusst und ihr Wissen dazu benutzt hatte, sie in das Lost Creek Motel zu locken? Selbst wenn der Gedanke ein wenig weit hergeholt schien, konnte es nicht schaden, mit Denise zu reden und herauszubekommen, in welchem Verhältnis sie zu Molly gestanden hatte.
Und wann wäre der Zeitpunkt günstiger gewesen als gerade jetzt, wo Lynn nicht in der Stadt war?
Kaum hatte die Empfangsdame, eine kecke Rothaarige mit Kleidergröße 36, Kate angemeldet, tauchte Denise Jenkins auf und sah genauso unfreundlich aus wie bei ihrem ersten Treffen.
„Das ist im Moment ganz ungünstig, Mrs. Logan“, sagte sie, ohne überhaupt den Versuch zu machen, ihren Ärger zu verbergen. „Ich habe sehr viel zu tun.“
„Ich verspreche Ihnen, dass es nicht lange dauern wird.“
Nach einem kurzen Blick auf die Empfangsdame, die beschäftigt tat, aber jedes Wort mitbekam, nickte Denise. „Nun gut, ein paar Minuten habe ich Zeit.“
Ihre Büroeinrichtung war eine reizvolle Mischung aus mit bedruckten Stoffen bezogen Sesseln, üppigen Farnen und Möbeln aus dunklem Holz. Das Erste, was Kate ins Auge sprang, war ein großes Farbfoto von Denise und Lynn auf dem Mahagoni-Schreibtisch, das die beiden an Bord eines Segelbootes zeigte. Sie hatten die Arme umeinander gelegt und schienen durch und durch glücklich zu sein.
Denise nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz, schob einen Stapel Rechnungen zur Seite und ging sofort zum Angriff über. „Wollen Sie mich verhören, Mrs. Logan? Sind Sie deshalb hier? Sie haben herausgefunden, dass ich Molly nicht besonders gut leiden konnte, und deshalb glauben Sie, dass ich sie umgebracht habe?“
Kate fasste sich schnell. „Haben Sie es denn getan?“
„Nein. Ich mochte Molly zwar nicht, aber ich habe sie nicht getötet, obwohl ich manchmal durchaus den Wunsch verspürte.“
„Woher kam diese Feindseligkeit?“
Denises kurzes Lachen war messerscharf. „Eine clevere Anwältin wie Sie hat das noch nicht herausbekommen?“
„Sie sahen sie als Bedrohung an? Eine Konkurrentin für Lynns Zuneigung?“
„Sie war keine Bedrohung für mich. Aber grundsätzlich
war
sie eine Bedrohung.“ Sie nahm einen Bleistift in die rechte Hand; ihr Daumen spielte mit der Spitze. „Wissen Sie, warum sie hier gearbeitet hat?“
Kate schüttelte den Kopf.
„Ihre Karriere als Unternehmerin ging den Bach runter, hauptsächlich weil sie keine Ahnung hatte, wie man ein Geschäft führt. Deshalb hat sie Konkurs angemeldet, ein paar Lehrgänge in Marketing und Innenarchitektur belegt und entschieden, dass sie gut genug war, um für uns zu arbeiten.“
„Und war sie’s? Gut genug, meine ich?“
Denise lachte höhnisch. „Natürlich nicht. Ihre Talente beschränkten sich auf das Verfassen von Pressemitteilungen, gefolgt von einigen Telefonanrufen. Termine und Lieferfristen waren ihr vollkommen egal, sie kam und ging, wie es ihr passte, surfte stundenlang im Internet herum und flirtete mit allen Männern, die zu uns ins Studio kamen.“
„Warum hat Lynn sie dann weiterbeschäftigt? Oder überhaupt eingestellt?“
„Weil sie sie mochte – nicht auf romantische Art, obwohl sie das auch einmal getan hat.“
„Und das hat Ihnen nicht gepasst.“
„Nein, zum Teufel. Und mir gefiel es noch weniger, als Molly auf einmal Anstalten machte, Teilhaberin zu werden, weil sie angeblich viel dazu beigetragen hatte, das Geschäft anzukurbeln, und deshalb auch einen Teil vom Kuchen haben wollte.“ Wieder lachte Denise. „Die einzigen Geschäfte, die sie angekurbelt hatte, hatten mit Männern zu tun, die ihr an die Wäsche wollten. Und wenn sie das erst mal geschafft hatten, verschwanden die meisten auf Nimmerwiedersehen.“
„Dann muss hier aber eine ziemlich angespannte Stimmung geherrscht haben.“
„Angespannter, als Sie sich vorstellen können. Wir haben jedoch immer versucht, das außen vor zu lassen.“ Sie blickte Kate geradewegs an. „Ich habe sie nicht umgebracht“, wiederholte sie. „Wegen dieser Schlampe hätte ich mir doch niemals mein Leben verkorkst. Ich bin vielleicht hitzköpfig und eifersüchtig, aber bestimmt nicht blöd.“
„Was wissen Sie über die Männer, mit denen sie sich getroffen hat?“
„Nichts. Sie hat mir nie etwas erzählt. Erst als sie ermordet wurde, habe ich
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