Kennwort: Schwarzer Ritter
Fernsehsender den Mord erwähnte, über ihre Strategie spekulierte oder sogar ihre Fähigkeiten in Frage stellte. Sie verstand es nicht. Noch vor weniger als zwei Wochen, kurz nach ihrem Interview auf CNN, war sie der Liebling der Journalisten gewesen. Und jetzt, da sie die Untersuchung am Mord von Molly Buchanan wieder aufgenommen hatte, waren die Medien um hundertachtzig Grad umgeschwenkt. Es sah fast so aus, als rechneten sie mit ihrem Scheitern. War Todd bei den Journalisten unbeliebter, als sie vermutet hatte? Oder versuchten sie nur, Richter Buchanan eins auszuwischen?
Sie hatte gerade den Kopf auf ihren Schreibtisch gelegt, als die Gegensprechanlage summte. „Sie haben nicht vergessen, dass Alison heute nur den halben Tag Schule hat?“ fragte Frankie. „Und dass Sie ihr einen Einkaufsbummel versprochen haben?“
Kate fuhr hoch. „Oh Gott, ist es schon so spät?“ Sie griff nach ihrer Handtasche, bedankte sich auf dem Weg nach draußen bei Frankie und verließ das Büro.
„Nein“, sagte Kate entschlossen. „Ich kaufe dir keinen blaubeerfarbenen Lippenstift. Oder schwarze Lidschatten. So wie du aussiehst, bist du sehr hübsch – ganz natürlich.“
Alison, nicht mehr so missmutig wie am vergangenen Abend, stand in der Lippenstift-Abteilung der Parfümerie im ersten Stock des Union Station-Einkaufszentrums und zog einen Schmollmund. „Aber alle meine Freundinnen benutzen diese Farbe, Mom.“
„Und sie sehen alle aus wie Vampire. Willst du das etwa auch? Wie Dracula aussehen?“ Sie wartete nicht auf eine Antwort. „Und überhaupt, sind wir nicht hergekommen, um Jeans zu kaufen?“
Alison murmelte etwas Unverständliches, als sie den Lippenstift in die Auslage zurückstellte. Sie verließ das Geschäft und führte Kate zu Compagnie Express. Kate war nostalgisch, als sie hinter ihr her ging und sich an den Spaß erinnerte, den ihr diese Einkaufstouren immer bereitet hatten. Sie hatten das Band zwischen Mutter und Tochter noch enger geflochten. Aber inzwischen war Alison ein Teenager, und Make-up weckte in ihnen beiden ganz neue Emotionen. Was zur Folge hatte, dass ein Besuch im Einkaufszentrum mittlerweile ungefähr so unterhaltsam war wie eine Beerdigungsfeier.
Glücklicherweise beherrschte Kate die hohe Kunst des Kompromisses. Als Kompensation für den blau-roten Lippenstift erlaubte sie Alison ein Teil, das nicht auf der Einkaufsliste gestanden hatte – die neue CD der Back Street Boys.
Es war schon fünf Uhr, als sie Sam Goodys verließen. Kate hatte gehofft, früher fertig zu sein, um nicht in den Feierabendverkehr zu geraten, aber damit hatte sie kein Glück. Voll bepackt mit Tüten und Kartons liefen sie zum Aufzug, mit dem sie bis zur U-Bahn-Station hinunterfuhren.
Wie immer um diese Zeit war der Bahnsteig von Pendlern, die auf ihre Züge warteten, überfüllt. Die Leute, die täglich mit der U-Bahn fuhren, wirkten am entspanntesten; sie lasen in aller Ruhe ihre Zeitungen und ließen sich anrempeln – die tägliche Rushhour-Routine. Andere, die weniger tolerant waren, murrten bereits, wenn jemand nur zu dicht an ihnen vorbeiging.
Als weitere Leute aus dem Aufzug strömten, legte Kate ihrer Tochter die Hand auf den Arm. „Nicht zu nahe“, warnte sie. Alison hatte die unangenehme Angewohnheit, sich über die Bahnsteigkante zu beugen und in den Tunnel zu spähen, wenn sich der Zug näherte. Manchmal glaubte Kate, sie würde das absichtlich tun, um sie zu provozieren. Heute allerdings blieb sie an ihrer Seite.
Eine Japanerin, die offensichtlich ebenfalls auf Einkaufstour gewesen war, beobachtete sie. Kate lächelte und rollte mit den Augen, als ob sie sagen wollte
Kinder
. Die Frau lächelte zurück und stieß einen kleinen Schreckensschrei aus, als sie plötzlich gegen Kate gestoßen wurde. Kate ärgerte sich, dass sie kein Taxi genommen hatte, während sie der Frau half, ihr Gleichgewicht wiederzufinden. In den letzten Minuten war die Menschenmenge noch größer geworden und hatte begonnen, sie vorwärts zu schieben. Der Japanerin fiel eine Straßenkarte von Washington auf den Bahnsteig. Sie entschuldigte sich ausführlich halb auf Englisch, halb auf Japanisch und bückte sich, um sie aufzuheben, aber Alison war schneller als sie.
„Bitte.“ Mit einem Lächeln, das sie für Fremde reserviert zu haben schien, reichte sie der Frau die Karte, während der Zug näher donnerte.
„Danke.“ Die Frau verbeugte sich. Auch Alison verneigte sich und kicherte.
Als das Donnern lauter
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