Keraban Der Starrkopf
Ganz Scutari ist in großer Aufregung!… Das wäre herrlich, heute ein wenig darunter zu lustwandeln!«
Die Gäste der Villa waren an die Fenster herangetreten.
»Ja wirklich, sagte Keraban, der Bosporus ist mit bewimpelten Fahrzeugen bedeckt. Auf den Plätzen und in den Straßen sehe ich Akrobaten und Jongleurs… Auch die Musik ertönt herauf, und die Quais sind voller Menschen, wie bei einem Schauspiele.
– Ja, sagte Selim, die Stadt feiert offenbar ein Fest.
– Ich hoffe, das wird kein Hinderniß sein, auch unsere Hochzeit zu feiern, bemerkte Ahmet.
– Nein, gewiß nicht, versicherte der Seigneur Keraban. Wir wollen in Scutari die Festlichkeiten von Trapezunt nachahmen, die zu Ehren unseres Freundes Van Mitten arrangirt zu sein schienen.
– Er wird mich aufziehen, bis zum Ende, murmelte der Holländer, doch das liegt so in seinem Blute, und man darf ihm deshalb nicht zürnen.
– Lieber Freund, ließ sich jetzt Selim vernehmen, beschäftigen wir uns ohne Zögern mit der wichtigsten Angelegenheit. Es ist der letzte Tag, heute oder…
– Wir werden ihn schon nicht vergessen, antwortete Keraban.
– Ich gehe zu dem Richter von Scutari, um den Ehevertrag vorbereiten zu lassen.
– Wir werden uns dort einstellen, antwortete Ahmet. Du weißt, lieber Onkel, daß Deine Anwesenheit unentbehrlich ist…
– Fast ebenso wie die Deinige! rief Keraban, diese Worte mit wohlwollendem Lachen begleitend.
– Ja, lieber Onkel, wenn Du willst, sogar noch unentbehrlicher… denn als Vormund mußt Du Deine Einwilligung geben.
– Nun gut, sagte Selim, in einer Stunde treffen wir uns bei dem Richter von Scutari!«
Er verließ den Salon, als Ahmet, sich an das junge Mädchen wendend, dieser zurief:
»Nachher, nach der Unterzeichnung bei dem Richter, liebe Amasia, begeben wir uns zum Iman, der uns seinen besten Segen ertheilen wird, und dann…
– Dann sind wir verheiratet! rief Nedjeb, als ob es sich um sie gehandelt hätte.
–Mein theuerster Ahmet!« flüsterte das junge Mädchen.
Währenddem hatte sich die edle Sarabul noch einmal Van Mitten genähert, der sich, womöglich noch nachdenklicher als vorher, in eine andere Ecke des Salons gesetzt hatte.
»Sollen wir nicht, sagte sie, bis zur Zeit der Ceremonie ein wenig nach dem Bosporus hinuntergehen?
– Nach dem Bosporus?… antwortete Van Mitten ganz verdutzt. Sie sprechen vom Bosporus?
Sie ruhten von den Anstrengungen und Aufregungen dieser Reise aus. (S. 387.)
– Ja, ja… vom Bosporus! wiederholte der Seigneur Yanak. Es sieht ja fast aus, als ob Sie das gar nicht verständen?
– Doch… doch!… Ich bin ja bereit, antwortete Van Mitten, der sich unter der kräftig zufassenden Hand seines Schwagers erhob. Ja wohl… nach dem Bosporus!… Vorher aber möcht’ ich… wünscht’ ich…
– Was wünschten Sie? fragte Sarabul.
– Ich würde mich glücklich schätzen, mit Ihnen, edle Sarabul, ein Gespräch unter vier Augen haben zu können.
Eine Straße in Scutari. (S. 386.)
– Ein Gespräch unter vier Augen?
– Gut, ich verlasse Euch also, sagte Yanar.
– Nein, bleibe, lieber Bruder, antwortete Sarabul, die ihren Verlobten scharf ansah, bleibe!… Ich habe so eine Ahnung, daß Deine Gegenwart nicht unnütz sein könnte
– Bei Mohammed, wie wird er sich aus der Sache herauswickeln? murmelte Keraban seinem Neffen in’s Ohr.
– Das wird hart hergehen! sagte Ahmet.
– Wir wollen uns nicht entfernen, um Van Mitten im Nothfall Beistand zu leisten.
– Das steht fest, jetzt geht er in Stücke!« murmelte Bruno.
Der Seigneur Keraban, Ahmet, Amasia und Nedjeb, Bruno und Nizib zogen sich ein wenig durch die Thür zurück, um den streitenden Parteien Platz zu lassen.
»Nur Muth, Van Mitten, sagte Keraban, der im Vorübergehen seinem Freunde die Hand drückte Ich gehe nicht fort, sondern werde im Nebenzimmer bleiben, um über Sie zu wachen.
– Muth, Mynheer, redete ihm auch Bruno zu, oder es droht Ihnen Kurdistan!«
Kurz darauf befanden sich die edle Kurdin, Van Mitten und der Seigneur Yanar allein im Salon, und der Holländer, der sich verlegen hinter den Ohren kratzte, sagte noch für sich in jämmerlichem Tone:
»Wenn ich nur in aller Welt den rechten Anfang wüßte!«
Sarabul trat ohne Scheu auf ihn zu:
»Was haben Sie uns zu sagen, Seigneur Van Mitten? fragte sie in hinreichend ruhigem Tone, um das Gespräch nicht gleich in einen Wortwechsel ausarten zu lassen.
– Nun denn, sprechen Sie! setzte Yanar etwas
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