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Kerstin Gier 2

Kerstin Gier 2

Titel: Kerstin Gier 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mutter-Mafia und Friends
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von der Erkenntnis überrascht wurde, dass die Wirklichkeit ganz anders als in den Bilderbüchern war. In Wirklichkeit gab es gar keine lachenden Schweine. In Wirklichkeit standen walkürenhafte Bäuerinnen in geblümten Kitteln und mit sehr humorlosen Gesichtern neben sehr toten Schweinen in Schubkarren, so sah es nämlich aus. Da konnte man es einem Zweieinhalbjährigen auch nicht verdenken, etwas zu weinen, er wäre der Letzte, der das nicht verstehen konnte. Er begab sich innerlich schon in eine Verteidigungshaltung gegenüber der Bäuerin, die bestimmt gleich den Kopf schütteln würde, wenn das verzogene Stadtkind da oben auf den Schultern des Vaters mit dem seltsamen Gang beim Anblick eines verendeten Jungschweines weinen würde, was aus ihrer Sicht natürlich tatsächlich ziemlich albern sein musste. Ihre Kinder hatten ja bestimmt nie beim Anblick von toten Tieren geheult, die hatten sich doch höchstens im Hof um die Knochen gebalgt, Landleben eben, das kann man sich nicht beinhart genug vorstellen, dachte er. Der Vater sah nach oben zu seinem Sohn und wartete auf die ersten herabtropfenden Tränen. Er merkte aber nur die Finger des Kleinen, die sich in seine Haare krallten, während er sich weiter und weiter vorbeugte, um das Tier da unten in der Schubkarre ganz genau sehen zu können. Die Bäuerin sah den Jungen an und fragte dann, ohne dabei auch nur im Geringsten freundlicher zu gucken, ob er sich das Schwein nicht einmal aus der Nähe ansehen wolle, dann streckte sie ihre gewaltigen Arme aus und wartete, ob der Junge absteigen würde. Super, dachte der Vater, gleich wird er wahrscheinlich völlig hysterisch, wenn sie ihn jetzt noch anfasst, dann geht hier aber richtig die Post ab, so wie der in letzter Zeit drauf ist. Er hatte den Gedankengang noch nicht beendet, da sprang sein Sohn der Bäuerin schon in die Arme und von da aus auf den Boden, lief zu der Schubkarre, kauerte sich davor und sah sich das Tier ganz genau an. »Sieht er bestimmt nicht jeden Tag«, sagte die Bäuerin jetzt auf Hochdeutsch. Der Sohn beugte sich über den Schweinekopf, er sah sich die Augen an und legte dann den Kopf schief, um weiter in das halb offen stehende Maul sehen zu können. Nach einer Weile drehte er sich zu seinem Vater um, zeigte auf das Schwein und sagte in bebender Begeisterung, fast stimmlos vor Aufregung: »Supercool.«
    *
     
    Der Vater hörte jetzt, wie jemand seinen Namen rief, seinen und auch den des Sohnes. Seine Frau kam über den Hof, sie nahm natürlich gleich den richtigen Weg. »Na«, sagte sie, die offensichtlich die Lage auf dem Hof schon vollständig im Griff hatte, »du hast aber Glück, mein Schatz. Das volle Programm hier, draußen ein totes Schwein und drinnen ganz viele Ferkel!« Sie kniete sich neben den Sohn und zeigte ihm die Ohren des Schweines, seinen Ringelschwanz und die dicken Schinken. Sie hatte von einem Busch einen Zweig abgeknickt und stupste das tote Tier damit an, der Sohn sah ehrfürchtig zu ihr auf. Zwischendurch drehte sie sich um und fragte leise zischend ihren Mann, ob er noch ganz bei Trost sei, ein Kleinkind ohne Sonnencreme und ohne Hut in der grellen Vormittagssonne über die Dörfer zu schleifen, nur um zu demonstrieren, was für ein spitzenmäßiger Wandersmann er sei, was er übrigens in Wahrheit ganz bestimmt nicht sei. Und er solle mal nicht glauben, dass sie sich jetzt krankenschwesternmäßig um seine Füße kümmern würde, an denen er ja ganz offensichtlich schlimmes Aua hätte, er würde ja kaum noch stehen können. Der Vater sah schnell zu der Bäuerin hinüber, ob sich in ihrem Gesicht bei diesen Sätzen irgendetwas regte, aber da war nichts, nur der gerade Blick den Weg hinunter. Er humpelte ohne ein weiteres Wort zum Hauptgebäude, es würde ja irgendwo ein Kaffee aufzutreiben sein. Der Sohn sah ihm nicht nach, er hatte im Stall die Ferkel quieken gehört und fasste nach der Hand der Mutter, um hineinzugehen.
    *
     
    Am Montagmorgen ging der Vater wieder in sein Chefbüro in der Personalabteilung einer Versicherung. Er hatte bequeme Turnschuhe zum Anzug an, was für ihn sehr ungewöhnlich war und ihm daher viele Kommentare und neugierige Fragen einbrachte. Er erzählte, dass er mit seinem Sohn am Wochenende auf dem Land gewesen sei und lange Wanderungen gemacht habe, nicht nur kleine Spaziergänge, sondern so richtig, über die Dörfer, das müsse der Kleine ja jetzt auch einmal kennenlernen, dass nicht immer alles im Leben ganz einfach erreichbar sei, wenn

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