Kerstin Gier 2
man nur mal eben um den nächsten Block ginge, so ein Stadtleben würde den Kindern da ja ein ganz falsches Gefühl vermitteln. Er sagte, seine Füße seien von den Tagestouren nicht eben begeistert gewesen, zumal er den Jungen natürlich sehr viel getragen habe, aber das sei es ihm doch wert gewesen.
Die Auszubildende aus der Buchhaltung sagte, dass sie das toll fände, wie er sich um das Kind kümmern würde und wie er auch so normale und uncoole Sachen wie Ausflüge aufs Land mit ihm machen würde, nicht nur Besuche auf Indoor-Spielplätzen oder in Freizeitparks und so etwas. Und wenn sie einmal Kinder haben sollte, dann hoffentlich auch mit so einem engagierten Vater. Er nickte lächelnd und sagte, dass etwas Mühe schon dazugehören würde, so ein Junge würde sich ja schließlich nicht von selbst erziehen. Dann machte er seinen Becher am Kaffeeautomaten sehr voll. Er ging in sein Büro, machte die Tür hinter sich zu, zog sich mit einem unterdrückten Stöhnen die Schuhe aus und befühlte seine Füße, an denen einige der Pflaster verrutscht waren. Pflaster mit lustigen Dinosauriermotiven darauf, er hatte zu Hause im Badezimmerschrank keine anderen gefunden.
Freitag
Mein Männe hat ja auch schon oft überlegt, Urlaub auf einem Bauernhof zu machen, damit Timmi und Jimmi mal sehen, wie der Schinken aussieht, wenn er noch lebt, und wo die Eier herkommen und so. Aber ich bin dagegen, weil es durchaus auch traumatische Folgen haben kann zu wissen, wo genau die Eier beim Huhn rauskommen und dass der Schinken … na ja, ihr wisst schon!
Mami (Kugelbauch) Ellen
Freitag
Ellen, du hast die Botschaft leider wieder nicht richtig verstanden. In dieser Geschichte geht es meines Erachtens darum, dass der Tod zum Leben dazugehört und dass Kinder damit viel unverkrampfter umgehen als wir Erwachsenen. Ein Beispiel: Marlon war ganz begeistert, als wir letzten Monat diese Katze überfahren hatten, und obwohl wir erst dagegen waren und uns ein bisschen geekelt haben, haben wir uns seinetwegen überwunden und uns pädagogisch korrekt verhalten: Unser kleiner Professor durfte die tote Katze ganz genau untersuchen und anschauen, bevor wir sie in den Graben geworfen haben.
Frauke
Freitag
Ihr habt die Katze einfach in den Graben geworfen? Was ist denn das für eine pädagogische Botschaft?
Entsetzte Grüße von Mami Gitti
Freitag
Ach, hab dich nicht so, Gitti. Es geht doch darum, dass man Kinder nicht vor allem vermeintlich Unschönen hütet. Alles Erziehungssache. Wibeke und Karsta sind es von kleinauf gewöhnt, die Tauben zu apportieren, die ich mit dem Luftgewehr erlege. Natürlich tragen sie dabei Handschuhe.
Sabine
Britt Reißmann
Babysitter inklusive
Ich habe meinen Schwiegervater wirklich geliebt. Besonders dafür, dass er uns nach seinem Tod das Haus vererbt hatte, in dem mein Mann aufgewachsen war. Leider hatten wir übersehen, dass das Testament eine Klausel beinhaltete. Eine sehr wichtige Klausel, die mein Leben in den Vorhof der Hölle verwandeln sollte. Bei dieser Klausel handelte es sich um das lebenslange Wohnrecht meiner Schwiegermutter.
»Ist doch prima!«, hatte mein Mann zunächst mit seinem unverbesserlichen Optimismus gesagt. »Wir bekommen ein Haus und einen Babysitter inklusive.«
Unser Sohn Daniel war damals zwei Jahre alt, unsere Tochter Sarah gerade geboren. Dennoch konnte ich die Begeisterung meines Mannes nicht teilen. Und die nächsten Jahre sollten zeigen, wie Recht ich hatte, denn die Erziehung meiner Kinder wurde mir komplett aus der Hand genommen. Gegen die gebündelte Erfahrung meiner Schwiegermama kam ich nicht an, und – glauben Sie mir – verglichen mit dieser Frau ist die Supernanny eine antiautoritäre ’68er-Mutter.
Sie wollen ein Beispiel? Können Sie haben. Nehmen wir ein ganz normales Abendessen. Ganz normal in anderen Familien – nicht aber bei uns. Denn bei uns sitzt meine Schwiegermutter am Tisch, und sie ist Christian Rach, der Restauranttester, Katharina Saalfrank auf Speed und Freiherr von Knigge in Personalunion.
Um mein kleines, verzweifeltes Ego irgendwie am Leben zu halten, demonstriere ich letzte Fünkchen Selbstbestimmung, wo immer es möglich ist.
An diesem Abend hatte ich Gulasch mit Erbsen gekocht, denn ich wusste, meine Schwiegermutter hasste Erbsen. Und sie wusste, dass ich es wusste. Entsprechend angespannt war die Atmosphäre am Esstisch. Mit Todesverachtung schaufelte sie das Gemüse in sich hinein, denn wer den Enkeln täglich erklärt,
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