Kerstin Gier 2
Fähre nach Wangerooge, stiefelte lustlos auf der Insel herum, wartete, bis es dunkel war und brach in den Geräteschuppen von Roberts Großcousine Imke ein. Imke hatte ich noch nie leiden können. Sie war ein verknöchertes, arrogantes Weib, ihr gehörten zwei große Hotels auf der Insel, und sie hatte den ganzen Tag nichts anderes zu tun als ihre Angestellten zu quälen und Geld zu zählen. Ich hatte also kein schlechtes Gewissen. Ich wühlte mich durch allerlei Unrat, bis ich den feuerfesten Minitresor gefunden hatte, probierte alle möglichen Zahlenkombinationen durch, die mir logisch erschienen, stellte missmutig fest, dass der Geburtstag seiner Neuen das Ding öffnete (der 29. 2. 1968, ich hatte, außer im Schaltjahr, jedes Jahr mit meinem geliebtenMann die Diskussion ausfechten müssen, ob seine geschätzte Kollegin ihren Geburtstagsumtrunk nun am 28. 2. oder am 1. 3. bekommen soll) und leerte den Inhalt in meine Reisetasche. Dann stapfte ich zu Fuß zurück zum Anleger und wartete auf den Sonnenaufgang. Und auf die erste Fähre zurück aufs Festland.
Von Ostfriesland in die Schweiz zu trampen, ging einfacher, als ich befürchtet hatte. Spätabends war ich da, und an der Grenze hatte man die nette ältere Dame, die mich an der Raststätte Schauinsland aufgelesen hatte, sogar einfach durchgewunken. Ich nahm mir ein billiges Pensionszimmer, und am nächsten Morgen stürmte ich gleich als erste Kundin die Bank. Ich legte schweigend die erforderlichen Dokumente vor, und auf die Frage, wie viel ich abheben wollte, sagte ich selbstbewusst: »Alles.«
Kurz nach Mittag saß ich mit meinem nagelneuen Gepäck, bestehend aus einem Trolley, der mir bis zum Bauch ging, und einer großen Reisetasche im Zug. Ich hatte mich neu eingekleidet und mir eine Karte für die erste Klasse gegönnt. Und für Louise hatte ich auch ein paar Mitbringsel. Der Wolf in mir schwitzte zwar ein bisschen in seinem Schafsfell, als ich an der Grenze kontrolliert wurde, aber niemand wollte in meine Koffer sehen, niemand nahm meinen Ausweis mit, um irgendetwas zu überprüfen, nichts geschah. Die Grenzer lächelten nur nett, wünschten eine gute Reise und gingen weiter.
Und ich fuhr mit 30 Kilo Gold und weiteren zwei Millionen in großen Scheinen zurück nach Hamburg. Mehr hatte der Mistkerl von den 62 Millionen nicht übrig gelassen, aber mal ehrlich: Fürs Erste sollte das für Louise und mich reichen. Jetzt musste ich das Geld nur noch irgendwie waschen.
»Sie könnten damit Ihre Schulden auf einen Schlag zurückzahlen«, sagte Herr Grenzmeier nachdenklich, als ich ihm am nächsten Morgen die Bescherung zeigte.
»Und wie erkläre ich das dem Finanzamt?«, fragte ich.
»Da muss ich mal nachdenken«, sagte Herr Grenzmeier. »Bis mir etwas eingefallen ist, muss ich Sie leider bitten, noch eine Weile Kaffeetassen zu zerschlagen.«
Drei Tage später hatte Herr Grenzmeier eine Lösung gefunden. Sie war kompliziert, genial und vor allem in Teilen illegal, aber er versicherte mir, dass kein Mensch dahinterkommen würde. Ein paar Belege, die es für die legale Variante gebraucht hätte, seien nun mal »verschwunden«, so etwas würde dauernd passieren, ich sollte mir keine Sorgen machen. Er brauchte noch zwei Wochen, um die Sache elegant einzufädeln, und am Ende hieß es, ich hätte einige meiner – von mir gemalten Bilder einem privaten arabischen Kunstsammler, der anonym bleiben wollte, für sehr viel Geld verkauft.
In Wirklichkeit hatte ich kein einziges selbst gemaltes Bild mehr irgendwo rumstehen. Und wirklich gut war ich auch nie gewesen.
Aber ich war meine Schulden los, es blieb nicht ganz so viel übrig, wie ich gehofft hatte, aber immer noch sehr viel Geld, um wegzuziehen aus dem Ghetto der Berufsehefrauen. Louise und ich suchten uns eine hübsche Wohnung in einem unaufgeregten Teil von Alsterdorf, sie ging in einen netten, unaufgeregten Kindergarten, und ich fand gleich um die Ecke die perfekten Räume für meinen Traum vom Malhaus. Herr Grenzmeier besuchte mich fortan nicht mehr jeden Tag, sondern schaute sonntags um drei bei uns auf ein Stück Kuchen herein. Er hatte sich geweigert, Geld für seine Hilfe anzunehmen. Das Einzige, was er sich von mir wünschte, war ein selbst gemaltes Bild.
»Ich hab schon ewig nicht mehr gemalt«, sagte ich unsicher.
»Sie müssen es mir ja auch nicht gleich morgen geben«, sagte Herr Grenzmeier und trank seinen Kaffee aus.
»Aber Herr Grenzmeier, Sie haben mir immer so viel Geld geliehen
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