Kerzenlicht Für Eine Leiche
das Geld am Abend auf der Arbeit zurückzugeben. Sie wollte zur Arbeit kommen. Und dann war da ihr Zustand. Bestimmt kein geeigneter Zeitpunkt, um von zu Hause wegzulaufen, was? Sie war auch nicht aufgeregt oder verärgert, nichts!«
»Wäre es möglich, dass sie zum Vater des Kindes gezogen ist?«, fragte Markby. Sein Gegenüber grinste boshaft.
»Möglich wäre es. Obwohl ich es bezweifle.«
»Ich verstehe.« Markby musterte French.
»Offensichtlich wissen Sie noch mehr. Oder Sie haben zumindest einen Verdacht.« French beugte sich vor und sah Markby in die Augen.
»Lassen Sie mich erklären, was für eine Frau Kimberley war. Wir haben auf der Arbeit miteinander geredet, wie man das unter Kollegen so tut. Aber wir hatten keinen privaten Kontakt. Wir hatten keine Gemeinsamkeiten. Für sie war es nur ein Job, weiter nichts. Ich wollte Karriere machen. Ich hatte nicht vor, mein ganzes Leben für Partytime zu arbeiten! Ich wollte nicht dort bleiben, sondern Erfahrungen sammeln. Ich wollte weg und nach London, so schnell wie möglich. Kimberley hingegen … nun ja, sie war in Ordnung, als Kellnerin. Aber sie hatte keinen Stil. Sie hätte es niemals zu etwas gebracht. Ihr fehlte jeglicher berufliche Ehrgeiz.« Die letzten Worte hätten herablassend geklungen, wenn French sie nicht mit solch nachdrücklichem Ernst gesprochen hätte. Also hat der gute Mr. French bereits im zarten Alter von neunzehn Jahren auf seine große Karriere hingearbeitet, dachte Markby ironisch. Und die beste Gelegenheit fand sich nicht in seiner verschlafenen kleinen Heimatstadt. French hat sich nicht mit einem Mädchen aus der Gegend einlassen wollen. Seine Ziele lagen in der großen Stadt. Andererseits – falls er etwas mit einem Mädchen aus Bamford gehabt hatte und falls dieses Mädchen für ihn zu einem Handicap geworden war, dann war er möglicherweise verzweifelt genug, um sich dieses Handicaps zu entledigen …
»Und sind Sie nach London gegangen?«
»Ja, wie ich es vorhatte. Ich habe in zwei oder drei Restaurants im West End gearbeitet und anschließend eine Zeit lang auf einem Kreuzfahrtschiff. Ich wollte so viele Erfahrungen sammeln, wie es nur ging – für meinen Lebenslauf, wenn Sie verstehen. Wenn man einen vernünftigen Job will, muss man zeigen, dass man alles schon einmal gemacht hat.« Markbys Besucher blickte selbstzufrieden drein, ein Gesichtsausdruck, der gut zu seinen plumpen Zügen passte. Unter Mr. Frenchs Obhut wird das Old Coaching Inn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der Liste der schicken Speiserestaurants nach oben schießen, dachte Markby. Er erinnerte sich an das heruntergekommene, staubige Lokal, in dem es Ploughman’s Lunches gegeben hatte, trockene Sandwiches und warmes, schales Bier. Damit war es vorbei, so schien es. French würde nicht eher ruhen, bis sein Restaurant eine positive Kritik auf der Seite Essen & Trinken des Sunday Telegraph bekam.
»Aber es gibt noch etwas, das Sie über Kimberley wissen?«, erkundigte sich Markby in freundlichem Ton.
»Sie war attraktiv«, sagte Simon French widerwillig und runzelte die Stirn.
»Sie war nicht wirklich dumm, aber ihre Interessen waren beschränkt. Sie hat Liebesromane gelesen, im Bus, wenn wir zu Veranstaltungen gefahren sind. Ich glaube, sie hat sich vorgestellt, eines Tages einen Reichen kennen zu lernen, der ihr Herz im Sturm erobern würde …« French verzog das Gesicht.
»Sie hat wohl gehofft, jemanden durch ihre Arbeit bei Partytime kennen zu lernen. Sie wurde einige Male zurechtgewiesen, weil sie auf privaten Veranstaltungen mit Gästen geflirtet hat. So etwas darf nicht sein, nicht, wenn man hochklassig bleiben will. Und man muss sicherstellen, dass das Personal es begreift. Ich meine, manchmal werden männliche Gäste zudringlich, besonders, wenn eine Kellnerin hübsch ist. Man muss den Mitarbeitern beibringen, wie sie nein sagen, ohne den Kunden zu verärgern. Das Gleiche gilt für weibliche Gäste. Manche von ihnen, ganz besonders diejenigen jenseits der vierzig, stecken einem jungen Barmann ein paar Fünfer zu und lassen ihn wissen, dass ein Stockwerk höher ein leeres Schlafzimmer wartet.«
»Tatsächlich?« Markby war fasziniert. Er fragte sich, ob jemals eine Frau den Versuch unternommen hatte, French als Gespielen für die Nacht einzuladen. Falls ja, so war sie sicherlich erfolglos geblieben. Der gute Mr. French war viel zu spröde und vernünftig.
»Und Kimberley? Hat sie gewusst, dass man sich mit zahlender
Weitere Kostenlose Bücher