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Kerzenlicht Für Eine Leiche

Kerzenlicht Für Eine Leiche

Titel: Kerzenlicht Für Eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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Unter weiteren Entschuldigungen zog sich Markby zur Straße zurück, vorbei an der Katze, die ihm, wie es schien, hämisch hinterhergrinste. Er fluchte innerlich. Zwölf Jahre waren eine lange Zeit. Menschen zogen um. Ganz besonders, wenn ein bestimmtes Haus voll schlechter Erinnerungen war. Jeder Anfänger hätte daran gedacht, im Wählerverzeichnis nachzusehen, bevor er hergekommen wäre! Er ging das kurze Stück zum nächsten Haus und hoffte inständig, dass die Nachbarn wussten, wohin Mrs. Oates gezogen war. Der Gedanke, ins Büro zurückzukehren und seinen jüngeren Kollegen gegenüber einzugestehen, dass er versagt hatte, war alles andere als amüsant. Diesmal erzeugte der Druck auf den Klingelknopf eine musikalische Melodie. Im ersten Augenblick glaubte Markby, auch hier kein Glück zu haben. Es dauerte eine ganze Weile, bevor jemand antwortete. Er fürchtete bereits, jedes Haus in der Straße besuchen zu müssen, doch als er im Begriff stand sich abzuwenden, hörte er hinter der Tür schlurfende Schritte nahen. Als Nächstes vernahm er ein schnaufendes Geräusch wie von einem kleinen Blasebalg. Die Tür öffnete sich klickend, und ein Schwall stinkender Luft schlug Markby entgegen. Eine große Frau mit unnatürlich gerötetem Gesicht stand vor ihm. Sie füllte die kleine Haustür völlig aus. Ihr graues Haar hing in unordentlichen Strähnen herab. Sie trug einen Baumwollpullover und einen weiten Blumenrock mit schlaffem Saum. Geschwollene weiße Beine endeten in breiten Füßen, deren Fleisch aus flachen Hausschuhen quoll. Die formlose Brust unter dem Baumwollpullover hob und senkte sich, und ihre Lungen schnauften protestierend, als sie Luft einsogen und wieder ausstießen. Sie hat ein Emphysem!, dachte Markby einigermaßen mitfühlend.
    »Ja?« Es war mehr ein Ächzen als eine Frage, und Markby hoffte, dass er sie nicht unnötig erschreckt hatte. Er zeigte seinen Dienstausweis und erklärte, dass er bereits beim Nachbarhaus geklingelt hatte in der Annahme, dass dort Mrs. Oates wohne, doch sie sei wohl schon vor Jahren fortgezogen.
    »Sie wissen nicht zufällig, wo ich sie finden kann?«
    »Du liebe Güte, nein …«, krächzte Mrs. Archibald und stützte sich mit der Hand am Türrahmen ab.
    »Da kommen Sie ein wenig zu spät.« Sie stieß ein Lachen aus, das sich in ein Krächzen und ein weiteres Schnaufen verwandelte.
    »Sie ist tot. Gestorben …«, ächzte sie.
    »Was?« Noch etwas, woran Markby nicht eine Sekunde gedacht hatte! Zwölf Jahre waren eine sehr lange Zeit.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ob ich sicher bin? Natürlich bin ich sicher, du liebe Güte! Sie ist vor, warten Sie … sie ist vor fast fünf Jahren gestorben. Einfach immer schwächer geworden. Sie war nie wieder die Alte, nachdem das Mädchen verschwunden war.«
    »Kimberley?« Markby klammerte sich an ihre Worte wie ein Ertrinkender an den sprichwörtlichen Strohhalm.
    »Kannten Sie Kimberley?« Mrs. Archibald kicherte heiser.
    »O ja! Die kleine Madame! Wie die Mutter, so die Tochter, sage ich immer.«
    »MRS. ARCHIBALD« fragte Markby mit seinem charmantesten Lächeln, »es tut mir wirklich Leid, Sie zu stören. Dürfte ich hereinkommen und Ihnen ein paar Fragen über Kimberley stellen?« Sie betrachtete ihn von oben bis unten.
    »Also schön. Hier entlang.« Vielleicht empfing sie nicht viele Besucher. Sie schien jedenfalls nicht abgeneigt, sich mit ihm zu unterhalten. Mrs. Archibald führte ihn in ein kleines, voll gestopftes Wohnzimmer, wo sie auf einen chintzbezogenen Sessel deutete, während sie sich erleichtert in einen zweiten sinken ließ.
    »Meine Beine«, erklärte sie.
    »Ich bin nicht mehr so gut auf den Füßen.« Er blickte sich unauffällig um, während er sich setzte. Das Zimmer war makellos sauber, doch jeder freie Platz war mit Kitsch und Nippes zugestellt. Auf dem Kaminsims marschierten Porzellantiere. Auf dem Fernsehapparat kokettierte eine Flamencotänzerin. An dem geschwärzten Eichenbalken, der quer unter der Zimmerdecke entlang verlief, waren ein Dutzend oder mehr Pferdegeschirre aufgehängt. Moralische Erbauung war ebenfalls im Überfluss zu sehen. An der Wand hing ein Stück poliertes Holz mit der geschnitzten Pokerweisheit: Verleihe nichts und leihe nichts!
    Daneben verkündete eine gerahmte Stickerei, wundervoll gearbeitet:
    Vor allen Feinden der Wahrheit, behüte, o Herr, meine Tugend, führe mich durch das Tal der Tränen vorbei an Sünde und Versuchung.
    Die Frau beobachtete ihn scharf.
    »Das hat die

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