Kesrith – die sterbende Sonne
hingenommen, bei Verhandlungen über Arrangements, beim Akzeptieren zweier unbequemer Beobachter, deren Anwesenheit, sofern sie bekannt wurde, die unmöglichsten Komplikationen für das Mri-Abkommen hervorrufen konnte. Beim Umgang mit den Menschen hatte er Erfolg gehabt, was als äußerst schwierige Sache erachtet worden war; er hatte sie auf eine Weise ausmanö- vriert, die ihm Ansehen verschaffen würde. Und nun passierte so etwas, daß er die Rettung von Regul Leben und Regul-Eigentum unterbrechen mußte, um sich mit Mri-Söldnern zu beraten, um ein undankbares Volk zu retten, das ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wegen seiner Mühen höflich behandeln würde.
Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Hada!« sagte er.
»Gnade?«
»Ist es möglich, oder ist es nicht möglich, daß die Mri von ihrem anfliegenden Schiff wissen?«
»Die Information ist von diesem Amt nicht freigegeben worden«, sagte Hada, und weiter: »Sei gnädig, Bai; schon vordem haben Mri von Dingen erfahren, die dieses Amt nicht freigegeben hatte. Sie haben ihre eigenen Möglichkeiten.«
»Ohne Zweifel«, meinte Hulagh, unterbrach die Verbindung und machte sich an die mühsame und schmerzliche Aufgabe, aufzustehen. Seit 290 Jahren war er dem Junglingsalter entwachsen. Seine Beine waren im Verhältnis kürzer, seine Sinne schwächer, sein Körper um ein Vielfaches schwerer. Seine runzlige Haut neigte zum Aufbrechen und zu Entzündungen, wenn er sie direkt der trockenen Kälte von Kesriths Luft aussetzte. Seine beiden Herzen litten unter der Mühe, seinen Erwachsenenkörper zu erheben, und die Muskeln zitterten unter der ungewohnten Anstrengung. Als Regul-Ältester bestand seine Hauptaufgabe im Benutzen von Geist und Verstand.
Und er war dazu gezwungen, Mri zu besuchen.
12
Das Mri-Edun schob sich ins Blickfeld, ein Gebilde aus stumpfen Kegeln auf einem Fundament, bedrohlich fremdartig – und unvermeidlicherweise unter allen verfügbaren Orten dort eingerichtet, wo es am unbequemsten und schwersten erreichbar war. Hulagh lehnte sich unbehaglich in seine Polster hinten im Landschlitten und sah das Edun größer werden: aus der Erde der mineralischen Ebenen errichtet, zementiert und mit stumpf wirkender Oberfläche von der Farbe der Erde, für das Auge erschreckend und mit abweisend sterilen Linien. Mit seinen geneigten Wänden verschwendete es Platz – aber Mri taten ja nie etwas auf einfache Weise. Es war, überlegte er, kennzeichnend für den Geist der Mri, unpraktisch, fremdartig im Entwurf, gewollt abgeschieden. Der Schlitten hatte Mühe, den Straßendamm hinaufzufahren, den der Regen, diese andere von Kesriths einheimischen Plagen, in schlechtem Zustand hinterlassen hatte, indem die gelösten Salze in dicken Lagern darauf umherlagen und beängstigende Kanäle in die Erde und das Gestein des Straßendammes gruben. Zu beiden Seiten gab es tödliche Abstürze zur dünnen Kruste des Flachlandes, vulkanisch und ständig aus dem einen oder anderen Loch Rauch ausstoßend. Hulagh versuchte, nicht daran zu denken, welche Tiefen es neben der Spur des Schlittens gab, der seinen Weg über eine Reihe von Furchen suchte, die die Straße beinahe verzehrt hatten. Die Mri hatten nicht vor, sie zu reparieren. Alt mochten sie zwar sein, aber selbst wenn sie körperlich dazu in der Lage gewesen wären, hätten sie abgelehnt, es zu tun – auf jeden Fall solange, wie es noch einen einzigen Regul auf der Welt gab, dem sie die Verantwortung hätten zuschieben können. Die Straße würde weggewaschen werden, bevor Mri sich regen würden, um sie wiederherzustellen, und Hulagh hatte nicht im geringsten vor, dies zum Nutzen der Menschen zu tun.
Er hoffte nur, daß die Straße ihn noch zum Edun und wieder zurückfahren lassen würde, nur dieses eine Mal.
Der Wagen holperte die letzten paar Fuß der Steigung hinauf und erreichte den Haupteingang des Edun. Dieser befand sich in einem der Straße ähnlichen Zustand, beugte sich bereits den Regenfällen, die es letztendlich für sich beanspruchen würden, die es wieder in weiße Erde verwandeln würden. Die schrägen Wände wiesen noch einige matte Spuren von Farben auf, die es einstmals aufgehellt haben mußten.
Hulagh hatte schon Bilder von Edunei gesehen, aber noch nie eines von ihnen in Wirklichkeit, und niemals eines in solch einem Zustand. Sicherlich war es ein altertümliches, traurig heruntergekommenes Bauwerk. Üblicherweise waren Mri stolzer. Selbst die Vorderwand war von Erosionskanälen zerfurcht, und
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