Kesrith – die sterbende Sonne
ist uns nichts geblieben.«
»Elag hat uns das gelassen, was sich auf Kesrith befindet, das, was durch das Feuer gegangen ist«, sagte Intel.
»Eine Handvoll.«
»Wir haben dem Volk«, sagte sie, »einen Platz gegeben, auf dem es standhalten kann, und stehen werden wir, bis die Menschen auf Kesrith stehen, und dann die Dunkelheit. Und dann wird eine Entscheidung bei anderen als dir und mir liegen, Sathell.«
Es herrschte Schweigen. Plötzlich erhob sich Sathell und stützte sich an der Wand ab, da seine Schwäche ihn verriet. »Dann überlasse sie jetzt anderen«, forderte er.
Und er ging hinaus. Seine Schritte führten die Treppe hinab.
Eddan verneigte sich, trat zu Intel und ergriff ihre Hand. »Kleine Mutter«, sagte er freundlich, »das Kel stimmt dir zu.«
»Das Kel weiß wenig«, sagte sie, »selbst jetzt noch.«
»Das Kel kennt die She'pan«, sagte er mit schwacher Stimme. Und dann sah er sich um und betrachtete die anderen, zuletzt Melein. »Sen Melein, bereite die Tasse für sie.«
»Heute abend will ich sie nicht trinken«, sagte Intel.
Aber Eddans Blick forderte das Gegenteil, und Melein nickte in schweigender Verschwörung gegen Intels Willen, stand auf, goß Wasser und Komal in eine Tasse und bereitete den Trank, der Intel Ruhe schenken würde. »Geh!« sagte Eddan zum Kel.
»Niun bleibt hier«, sagte Intel, und Niun, der sich zusammen mit den anderen erhoben hatte, blieb stehen.
Und unten an der Treppe ging das Haupttor auf und schloß sich wieder, ein hohles Krachen.
»Götter!« hauchte Pasev und warf Intel einen Blick zu. »Er verläßt das Edun.«
»Laßt ihn gehen!« sagte Intel.
»She'pan«, sagte Melein mit einer Stimme, in der erkennbar Furcht mitklang. »Er kann bei diesem Wetter nicht die Nacht draußen verbringen.«
»Ich werde ihn suchen«, schlug Debas vor.
»Nein«, beharrte die She'pan, »laßt ihn gehen!«
Und nach einem Moment war es klar, daß sie ihre Meinung nicht ändern würde. Es gab nichts mehr zu tun. Melein ließ sich an Intels Seite nieder, immer noch verschleiert und mit wachsamen Augen.
»Das Kel ist entlassen«, sagte Intel, »abgesehen von Niun. Schlaft gut, Kel'ein!«
Eddan wollte nicht entlassen werden. Er blieb als letzter von allen, aber Intel winkte ihn fort. »Geh!« sagte sie. »Es gibt nichts mehr, was ich dir heute abend sagen könnte, Eddan. Aber postiere morgen einen Kel'en auf die hohen Felsen, um den Hafen zu beobachten. Schlaf jetzt! Dieser Sturm wird die Regul daran hindern, etwas zu tun, aber der morgige Tag ist eine andere Sache.«
»Nein«, sagte Eddan, »ich werde meinem Bruder folgen.«
»Nur ohne meinen Segen.«
»Aber trotzdem«, sagte Eddan und wandte sich zum Gehen.
»Eddan«, sagte sie.
Er sah sie wieder an. »Wir werden zu wenige«, sagte er, »um noch viele Reisen nach Sil'athen machen zu können. Sathell hätte Nisren nicht freiwillig verlassen, und ich auch nicht. Nun will ich Kesrith nicht verlassen. Wir werden nach Sil'athen gehen, er und ich. Wir werden zufrieden sein.«
»Ich gebe meinen Segen dazu«, sagte sie nach einer ganzen Weile.
»Danke, She'pan«, sagte er.
Und das war alles. Er ging, und Niun blickte hinter ihm her in die Dunkelheit der Halle und zitterte an jedem Muskel.
Sie waren so gut wie tot, Eddan und Sathell. Sie hatten ihre Wahl getroffen, Sathell nach der Methode seiner Sippe und Eddan für seine Kaste untypisch, um ihn auf seinem langen Weg zu begleiten. Und Niun hatte Eddans Gesicht gesehen, und er hatte keine Schwermut darin erkannt. Er hörte die Schritte des Kel'anth schnell und leicht die Treppe hinuntergehen, und auch hinter ihm schloß sich das Tor. Nun war gewiß, daß es wieder zwei Leben weniger im Edun gab, Leben, die groß gewesen waren.
»Setzt euch zu mir!« befahl Intel ihnen.
»She'pan«, sagte Melein mit dünner, unnatürlicher Stimme. »Ich habe deine Tasse bereitet. Bitte trink!«
Sie bot sie ihr an, und das Tablett zitterte in ihren Händen. Intel nahm die Tasse entgegen und trank, gab sie ihr wieder und lehnte sich zurück, als Niun sich zu ihrer Linken auf die Knie niederließ und Melein zu ihrer Rechten.
Seit Medais Tod hatten sie viele Nächte so verbracht, denn Intel konnte nicht gut schlafen, und sie schlief nie, wenn nicht noch jemand anders im Raum war.
In dieser Nacht beneidete Niun sie um ihren Schluck Komal , und er blickte sie nicht an, während sie darauf wartete, daß der Trank zu wirken begann, sondern senkte den Kopf und starrte auf die Hände in seinem
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