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Kesseltreiben

Titel: Kesseltreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leenders/Bay/Leenders
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gemalt.
    Bernie musste unwillkürlich lächeln, ein ganz ähnliches Album besaß auch er. Seine Mutter hatte, nachdem auch das letzte Küken ihr Nest verlassen hatte, für jedes ihrer sechs Kinder ein eigenes Album angelegt und es ihnen dann zu Weihnachten geschenkt.
    Er blätterte weiter, Urlaubsfotos, Familienfeiern, das Abitur, Basti auf einem Motorrad, nichts Ungewöhnliches, nichts, das aus dem Rahmen fiel. Die Eltern wirkten nett, wenn auch nicht übermäßig fröhlich. Sebastian schien auch ein eher ernstes Kind gewesen zu sein, wie ein unangenehmer Streber sah er allerdings nicht aus.
    »Hier sind ein paar Schlüssel.« Van Appeldorn stand auf. »Ein Zweitschlüssel fürs Auto, und dieser könnte der Ersatzschlüssel zum Haus hier sein.« Er ging zur Wohnungstür. »Passt!«
    Auch Bernie Schnittges hatte sich erhoben. »Ich frage mich, warum Finkensieper in Kessel in dieser Bruchbude gewohnt hat. Ein Zimmer bei Ophey hätte er sich doch locker leisten können.«
    Der Geschäftsführer der KGG hatte Ackermann und Penny erklärt, dass die Firma sich schon seit Jahrzehnten vom Anwaltsbüro Wehmeyer, einer alteingesessenen Düsseldorfer Kanzlei, vertreten ließ. Sebastian Finkensieper habe man persönlich nicht kennengelernt, man überlasse es vertrauensvoll Herrn Wehmeyer, welchen Mitarbeiter er mit der Ausarbeitung der Verträge betraue.
    Jetzt standen Penny und Ackermann vor einem Haus in der Schadowstraße und betrachteten die Kanzleitafel aus poliertem Messing. Acht Anwälte, unter ihnen auch Sebastian Finkensieper, waren dort aufgelistet.
    »Zweimal Wehmeyer«, bemerkte Ackermann, »und immerhin zwei Frauen.«
    Die Kanzlei lag im ersten Stock. Sie nahmen die Treppe und betraten einen nüchternen Empfangsraum. Hinter einem halbhohen Tresen saß eine Frau von Anfang vierzig am Computer. »Guten Morgen«, rief sie und lächelte professionell. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Penny zückte ihren Ausweis. »Kriminalpolizei, Small.
    Wir würden gern Herrn Wehmeyer sprechen … Den Senior«, fügte sie nach kurzem Überlegen hinzu.
    »Oh, das tut mir leid«, sagte die Frau ein bisschen verwirrt. »Herr Wehmeyer senior ist in den Ruhestand getreten, und Herr Dr. Wehmeyer ist heute bei Gericht. Aber Sie könnten mit unserem anderen Junior sprechen, Herrn Ingmar Wehmeyer. Soll ich einmal schauen, ob er Zeit für Sie hat?«
    »Das wäre sehr freundlich«, antwortete Penny.
    Die Sekretärin führte ein kurzes Telefonat und stand dann auf. »Wenn Sie mir bitte folgen würden …«
    Sie gingen einen Gang hinunter an mehreren Türen vorbei. Ganz am Ende blieb die Frau stehen, klopfte und wartete lächelnd auf das »Ja, bitte!«, bevor sie die Tür öffnete. »Hier wären dann die Herrschaften von der Kriminalpolizei für Sie, Herr Wehmeyer.«
    Ingmar Wehmeyer schaute von seinen Papieren auf und erhob sich halb. Er war Mitte zwanzig, hatte zerzaustes dunkles Haar, intelligente Augen und einen auffallend großen Mund.
    »Kripo?« Er setzte sich wieder hin und wies auf die beiden Klientenstühle vor seinem Schreibtisch. »Bitte nehmen Sie Platz.« Seine Hand fuhr kurz hoch zu seinem Krawattenknoten. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Penny berichtete so sachlich wie möglich von Finkensiepers Tod. Zu ihrer Bestürzung schlug Wehmeyer beide Hände vor den Mund und brach in Tränen aus. Er schluchzte so heftig, dass er kaum Luft bekam.
    Ackermann zog eine Packung Taschentücher aus seiner Jacke, nahm eins heraus und schob es über den Schreibtisch.
    »Weinen Sie ruhig«, sagte er sanft. »Das erleichtert. Und wir haben alle Zeit der Welt.«
    Penny warf ihm einen erstaunten Blick zu. Sie hatte Ackermann noch nie eine andere Sprache sprechen hören als die seiner Region, und sie hatte oft genug ihre liebe Mühe, ihn zu verstehen. Als sie sein bekümmertes Gesicht sah, schloss sie ihn augenblicklich in ihr Herz.
    Wehmeyer wischte sich mit dem Taschentuch Augen und Nase, aber er schluchzte noch immer. »Ich wusste doch, dass was passiert ist! Den ganzen Morgen hab ich es auf seinem Handy probiert.«
    Schließlich beruhigte er sich ein wenig und erzählte, dass Finkensieper nicht einfach nur ein Kollege für ihn gewesen war.
    »Wir haben zusammen studiert, in Bonn. Sebastian hat ein irre gutes Examen gemacht, deshalb hab ich ihn meinem Bruder empfohlen.« Er zerrte an seiner Krawatte. »Ich verstehe nicht, was Sebastian in Kessel verloren hatte. Die KGG hat doch ihre eigenen Leute, die die Grundbesitzer ansprechen. Wir sind

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