Kesseltreiben
an.
»Und die werden uns auch sagen können, ob er überhaupt mit Grundbesitzern verhandelt hat, und wenn ja, mit welchen.« Van Appeldorn streckte sich. »Lasst uns losfahren. Wir nehmen meinen Wagen, Bernie.«
Finkensiepers Wohnung lag im zweiten Stock einer wohl erst kürzlich renovierten Jugendstilvilla direkt am Rhein.
Die Düsseldorfer Kollegen, die van Appeldorn und Schnittges begleitet hatten, warteten noch, bis der Schlüsseldienst die Wohnungstür geöffnet hatte, und fuhren dann zu ihrer Dienststelle zurück.
Bernie Schnittges musste sich einen Ruck geben. Er hasste es, in den Sachen eines Toten herumzuschnüffeln, intime Geheimnisse oder vielleicht auch nur kleine Schwächen zu entdecken, die ihn nichts angingen, Schlüsse zu ziehen, gegen die sich der Mensch nicht mehr wehren konnte.
Die Wohnung mit ihren mehr als vier Meter hohen Decken war luftig und hell mit einer dicken Strukturtapete, die in hochglänzendem Weiß gestrichen war, und hellem Ahornparkett.
Eine Küche mit brandneuen Schränken und Elektrogeräten – Ikea, dachte van Appeldorn, er hatte das gleiche Modell bei sich zu Hause –, eine Essecke mit einem angejahrten, nachgedunkelten Weichholztisch und zwei nicht zueinanderpassenden Stühlen.
Man sah gleich, dass Finkensieper erst vor kurzem eingezogen war, alles war noch ein wenig unfertig, aber man erkannte sein Bemühen, das neue Reich wohnlich zu machen.
Im Wohnzimmer standen schwarze Bücherregale, ebenfalls von Ikea und nicht mehr neu, in denen Bücher gestapelt lagen. Finkensieper hatte wohl noch nicht die Zeit gefunden, sie einzusortieren. Außerdem gab es hier einen Schreibtisch mit Sessel und ein flaches Ledersofa in dunklem Türkis, das nach teurem Design aussah.
Im blitzsauberen, winzigen Bad standen in der Duschwanne ein paar Topfpflanzen, noch in Plastikfolie, aber offensichtlich vor kurzem erst gegossen.
Das Schlafzimmer wirkte überraschend feminin. Ein schmiedeeisernes Himmelbett für zwei mit duftigen weißen Vorhängen und ebenso blütenweißen Leinenbezügen, sorgfältig glatt gestrichen. Gegenüber davon, an der Wand, das einzige antike Möbel in der Wohnung, ein Vertiko, auf dem eine große Schüssel aus dickem Glas stand, die mit sicher über hundert bunten Einwegfeuerzeugen gefüllt war – ein fröhlicher Farbtupfer.
»Scheint mir ein sehr ordentlicher Mensch gewesen zu sein«, sagte van Appeldorn.
Schnittges nickte nur und öffnete die Tür zum begehbaren Kleiderschrank. Zwei Anzüge, einer schwarz, einer anthrazitfarben, mehrere Jacketts und Hemden, ein Wintermantel, ein langer Trenchcoat. Schnittges fing an, die Taschen zu durchsuchen.
»Ich nehme mir dann den Schreibtisch vor«, beschloss van Appeldorn und ging ins Wohnzimmer zurück.
»Nichts Besonderes«, berichtete Schnittges, als er aus dem Schlafzimmer kam. »In der Vertikoschublade ein paar Briefe von einer Sarah aus Sheffield, alle schon ein paar Jahre alt, drei alte Taschenkalender, Geburtstags- und Weihnachtskarten, der übliche Kram.«
Er ging zum Fenster, das zum Fluss hinausging. »Billig ist die Wohnung bestimmt nicht«, murmelte er.
»Tausendfünfzig kalt«, sagte van Appeldorn, der inzwischen die erste Schublade durchforstet hatte. »Hier ist der Mietvertrag. Finkensieper hat aber auch nicht schlecht verdient. Er ist übrigens nicht bei der KGG angestellt, sondern arbeitet in einer Anwaltskanzlei hier in Düsseldorf: ‹Wehmeyer und Söhne›.«
»Sollen wir Penny und Jupp Bescheid sagen?«, fragte Schnittges.
Van Appeldorn schüttelte den Kopf. »Das haben die inzwischen sicher schon rausgefunden.«
Schnittges nahm die beiden dicken Aktenordner, die im Regal lagen, setzte sich auf die Sofakante und arbeitete sie langsam durch. Sebastian Finkensieper war ein sehr guter Schüler gewesen, hatte ein erstklassiges Abitur gemacht, dann in Rekordzeit ein Jurastudium absolviert, das er mit Auszeichnung bestanden hatte. Ein Streber? Oder einfach sehr begabt?
Schnittges legte die Aktenordner beiseite und nahm sich ein Fotoalbum vor, das er vorhin schon entdeckt hatte. Das erste Bild zeigte einen etwa vier Jahre alten rothaarigen Jungen mit knubbeligen Knien in einem sommerlichen Garten, der ein weißes Kätzchen auf dem Arm hatte. »Basti und Micki – die Unzertrennlichen« stand in einer zierlichen, weiblichen Handschrift darunter.
Es war ein altmodisches Album, ledergebunden mit mattschwarzen Seiten, die Bilder mit Fotoecken eingeklebt, die Bildunterschriften mit weißer Tinte
Weitere Kostenlose Bücher