Kesseltreiben
durch das Torhaus in den großen Innenhof traten. »Hier könnte man doch wunderbar mittelalterliche Märkte veranstalten und für ein paar Wochen im Jahr das alte Klosterleben nachspielen, so wie bei uns in England«, schwärmte sie.
Van Appeldorn erinnerte sich nur zu gut an die ›Worcester Militia‹, die in Kleve eine Schlacht aus dem Spanisch-Niederländischen Krieg nachgestellt hatte, und er wusste, dass es in Großbritannien viele Historiengruppen der verschiedensten Epochen gab.
»Das könnte ein Juwel sein, wenn man es restauriert, ich meine, behutsam, dass es wieder so aussieht, wie es einmal war. Ein tolles Licht und diese herrlichen alten Bäume! Ist das da vorn der Kreuzgang?«
Van Appeldorn musste schmunzeln. Sie sah, was sie sehen wollte, schien das wuchernde Unkraut, die alten verrosteten Maschinen und Ölfässer gar nicht wahrzunehmen.
In einem langen Gebäude links, dem eine Wand fehlte und dessen marodes Schieferdach hier und da nachlässig mit Wellblech geflickt war, standen mehrere alte Autos mit polnischen Kennzeichen.
Penny runzelte fragend die Stirn.
»Grantner hat für die groben Arbeiten ein paar Polen eingestellt«, erklärte van Appeldorn. »Sie wohnen im Torhaus.«
»Dann scheinen sie nicht sehr anspruchsvoll zu sein«, bemerkte Penny trocken, nachdem sie einen Blick auf die Rückfront des Gebäudes geworfen hatte.
In dem Haus, das sich im rechten Winkel an den Kreuzgang anschloss, wurde eine Tür geöffnet, und ein Mann kam heraus.
»Ah«, stellte van Appeldorn fest, »da kommt der Chef ja auch schon.«
»Ich wette, der ist aus Bayern«, flüsterte Penny, und als sie van Appeldorns überraschtes Gesicht sah, fuhr sie fort: »Die Bajuwaren sehen doch alle gleich aus, ist dir das noch nie aufgefallen? Groß, breit, dicker Schädel, flacher Hinterkopf.«
Van Appeldorn hatte das Wort »Kies« noch nicht ganz ausgesprochen, als Grantner schon lospolterte: »Wenn ich ein Wasserschloss hätte haben wollen, hätte ich mir ein Wasserschloss gekauft! Diese ›Seen‹, wie die sie so schön nennen, passen doch überhaupt nicht in die Landschaft hier. Wenn man diese Mafia gewähren lässt, hacken die noch den ganzen Reichswald um und setzen ihn unter Wasser! Und könnt ihr mir erklären, wie ich hier Events veranstalten oder Zimmer vermieten soll, wenn Tag und Nacht der Bagger läuft? Aber mit mir nicht, meine Herren, nicht mit mir! Und wenn ich bis nach ganz oben gehen muss.«
Penny hielt ihm Finkensiepers Foto unter die Nase.
»Kennen Sie diesen Mann?«
Grantner schüttelte den Kopf. »Sollte ich?«
Penny zuckte die Achseln. »Er hat als Anwalt für die KGG gearbeitet.«
»Und wenn!« Grantner schnaubte abfällig. »Mit so kleinen Fischen gebe ich mich gar nicht erst ab.«
»… und ist am Samstag drüben bei ›Ophey‹ erschossen worden«, fuhr Penny fort, als hätte er nichts gesagt.
Grantner lief dunkelrot an. »Ja, Herrgottsakra, seid’s ihr narrisch?« Er gab ein paar rüde Flüche von sich.
»Damit habe ich nichts zu tun!«
»Wo waren Sie denn am Samstag zwischen 18 und 20 Uhr?«
»Wo ich war? Sie fragen mich allen Ernstes, wo ich war?«
»Ja, das tu ich.« Penny schien zehn Zentimeter gewachsen zu sein.
Grantner brüllte vor Lachen. »Das kann ich Ihnen sagen. Da war ich auf dem Weg nach Köln. Dort gibt es nämlich einen erstklassigen Puff, wo ich einen äußerst unterhaltsamen Abend verbracht habe.«
»Wie ausnehmend schön für Sie. Sie haben sicher noch die Getränkerechnung.«
»Ja, verdammt! Und Zeugen gibt’s da auch jede Menge.«
Bernie Schnittges hatte Lettie angerufen. »Hast du Lust, mit mir auf ein Bier zu van Beek zu gehen? Ich lade dich ein und hole dich ab.«
»Mit Vergnügen, mein Lieber. Aber muss es ausgerechnet bei van Beek sein?«
»Ich fürchte, ja …«
»Na denn, gib mir eine halbe Stunde, damit ich mich für dich in Schale werfen kann.«
»Herr Kriminalkommissar, wie kann ich Ihnen behilflich sein?« Manfred van Beek begrüßte Schnittges so laut, dass alle Gäste im Lokal zur Tür schauten.
Bernie sah Lettie fragend an.
»Für mich ein Alster«, sagte sie.
»Okay, dann ein Alster und ein Pils, bitte.«
»Ach, heute mal nicht im Dienst.« Van Beek grinste breit. »Getränke kommen sofort.« Er zeigte zum Fenster.
»Der beste Tisch ist noch frei.«
Bernie hakte Lettie unter. »Wollen wir?«
Es war nur noch ein weiterer Tisch besetzt, zehn Jugendliche, sieben Jungen und drei Mädchen, die alle Cola tranken. Lettie
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