Kesseltreiben
Telefon.«
Herta van Beek war kein freundlicher Mensch.
»Sabine Maas soll ein nettes Mädchen gewesen sein? Männer! Die hatte es immer schon faustdick hinter den Ohren. Hat sich immer für was Besseres gehalten. Mit unserer Dorfjugend wollte sie nichts zu tun haben, lieber in der Stadt rumflanieren. Und Hemmungen hatte die gar keine, das können Sie mir glauben. Ihre Eltern waren noch nicht unter der Erde, da hatte sie schon einen Kerl bei sich. Wenn es dabei mal geblieben wäre! Bei der haben sich die Männer die Klinke in die Hand gegeben. Eine Zeit lang hatte die sogar vier auf einmal!«
»Woher wissen Sie das so genau?«, fragte Schnittges interessiert.
»Hab ich Augen im Kopf? Die haben doch alle bei der gewohnt, Kommune nannte sich das.«
»Und dort wohnten nur Sabine Maas und vier Männer?« Schnittges mochte das nicht so recht glauben.
»Blödsinn!«, fuhr die Frau ihn dann auch an. »Da haben natürlich auch Mädchen gewohnt. Am Anfang zwei, aber dann hat man den Überblick verloren. Kamen und gingen, dauernd neue. Man kann sich gut vorstellen, wie das da zugegangen ist. Stand ja in der Zeit in allen Zeitungen, wie das bei den Leuten zuging. Freie Liebe, pfui Deibel!«
»Sie regen sich ja mächtig auf«, stellte Bernie fest.
»Da soll man sich nicht aufregen. Die hat doch Schande über unser ganzes Dorf gebracht. Und dann hat die sich auch noch ein Kind machen lassen. Aber meinen Sie, als die in Hoffnung war und einen dicken Bauch hatte, hätte sie aufgehört, sich mit Männern einzulassen? Von wegen! So was ist doch unnatürlich.«
‘ Schnittges enthielt sich eines Kommentars.
»Aber wahrscheinlich war sie ja da schon nicht mehr richtig im Kopf«, sagte Frau van Beek nachdenklich.
»Und jetzt hat sie sich umgebracht? Ich sag ja immer: Es gibt einen gerechten Gott. Auch wenn es manchmal ein bisschen länger dauert.«
Bernie hatte einen schlechten Geschmack im Mund, er fühlte sich verschwitzt. Bevor er sich den nächsten Dörfler vorknöpfte, würde er schnell nach Hause fahren, duschen und statt des Hemdes ein T-Shirt unter dem Jackett anziehen. Wenn es doch nur endlich abkühlen würde.
Das Auto, das vor seinem Haus am Straßenrand parkte, kannte er nur zu gut. Er spürte, wie ihm die Knie weich wurden, und beschloss, Simone einfach zu ignorieren. Aber er war noch nicht ganz aus dem Wagen gestiegen, als sie schon angelaufen kam und ihm weinend um den Hals fiel.
Er fasste sie bei den Armen und schob sie von sich.
»Was willst du hier?«
»Ich halte es ohne dich nicht aus, Bernd«, schluchzte sie.
»Woher hast du meine Adresse?«
»Von deiner Mutter.«
»Von meiner Mutter?« Das konnte nicht sein.
»Ja, ich war bei ihr und habe ihr alles erzählt.«
»Sie wusste schon alles.«
»Nein, und du weißt auch nicht alles.«
Ihre Wimperntusche war verlaufen, der Lippenstift verschmiert, sie sah wunderschön aus.
»Bitte, lass mich reinkommen. Ich muss mit dir reden, Bernd.«
»Das geht nicht, Simone. Ich arbeite, wir stecken mitten in einem Mordfall. Ich muss nur schnell duschen und dann sofort wieder los.«
»Dann komme ich heute Abend wieder, egal wann. Bitte!«
»Bettele doch nicht so, das ist schrecklich.« Er hatte sie noch nie so aufgelöst gesehen.
»Nimm mich in die Arme«, flüsterte sie.
Er umarmte sie und drückte sie an sich. Sie zitterte.
»Gut«, sagte er, den Mund in ihrem Haar, »ich rufe dich an, sobald ich ein bisschen Luft habe, versprochen.«
»Darf ich dann herkommen?«
»Das sehen wir dann.«
Fünfzehn
»Ich habe gestern Abend die Unterlagen aus dem Frauengefängnis bekommen«, sagte Cox. Er war bis kurz vor Mitternacht im Büro gewesen und hatte die Spurenakten aufgearbeitet. »Sabine Maas war körperlich und geistig bei allerbester Gesundheit, als sie dorthin überstellt wurde. Eine angepasste, sehr stille junge Frau. Wieso erzählt dann jeder im Dorf, sie wäre verrückt gewesen?«
»Ich kann das nachvollziehen«, meinte Penny. »Stell dir doch mal vor, wie schockiert die Leute gewesen sein müssen. Eine von ihnen bringt plötzlich ein Kind um. Da musste doch eine Erklärung her.«
»So plötzlich scheint das mit der Verrücktheit aber nicht gekommen zu sein«, entgegnete Cox. »Mehrere Leute haben angedeutet, dass die Maas ein perverses Interesse an kleinen Jungs hatte.«
»Auch das könnten sie sich erst im Nachhinein zusammengereimt haben.«
»Ich finde es auffällig, wie sehr sich alle Aussagen gleichen«, bemerkte Schnittges. »Beinahe
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