Kesseltreiben
ehemalige Rektor heißt Adolf Pitz«, fiel es ihm ein.
»Un’ der is’ vorgestern gestorben«, bemerkte Ackermann trocken, »Herzinfarkt.«
Toppe runzelte fragend die Stirn.
»Hat mir Goossens erzählt.« Ackermann überlegte.
»Ich mein’, die Frau von Pitz hätte auch wat mit der Schule zu tun gehabt. Kann sein, dat die auch Lehrerin war.«
»Am besten wäre es wohl, wenn du mit der Frau sprichst, Penny«, schlug van Appeldorn vor.
»Weil wir Frauen doch so viel einfühlsamer sind.«
Van Appeldorn war nicht klar, ob das ein Scherz sein sollte.
»Un’ ich«, meinte Ackermann, »könnt’ mich ma’ in den Küppers einfühlen gehen. Dat is’ der frühere Lehrherr von der Maas. Den kenn’ ich nämlich, is’ der Schwager von Goossens.«
Toppe war zur Tafel gegangen, um sich noch einmal anzuschauen, was sie bisher zusammengetragen hatten.
»Der Prozess gegen Sabine Maas«, murmelte er und drehte sich wieder zu den anderen um. »Ich werde bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Prozessakten beantragen. Aber über all unserem Interesse an dem Kindermord sollten wir den aktuellen Fall nicht aus den Augen verlieren.«
Cox fühlte sich zu Recht gerügt.
»Ich habe gestern noch bis spät über den Spuren vom Tatort gesessen. Die meisten Sachen, die van Gemmerns Leute dort gefunden haben, konnte ich identifizieren. Da sind nur noch ein paar Kleinteile, die mir nichts sagen, aber sie könnten aus Überraschungseiern stammen. Ich will mich mit der Herstellerfirma in Verbindung setzen.«
»Sind verwertbare Fingerspuren darauf?«, fragte Schnittges.
»Auf den Kleinteilen nicht, die sind winzig. Ansonsten gibt es schon Fingerspuren auf Verpackungen von Schokoriegeln, einem Kondompäckchen und solchen Dingen. Die habe ich alle durchs Programm geschickt, aber keinen Treffer erzielt – bis jetzt.«
Norbert van Appeldorn stellte seinen Wagen vor van Beeks Kneipe ab, und sofort bewegte sich dort die vergilbte Gardine. Er tippte sich grüßend an die Stirn, obwohl er gar nicht sehen konnte, wer ihn da beobachtete.
Schnittges hatte gemeint, man sollte sich mit dem Ehepaar Willemsen unterhalten. Die beiden hatten ihr ganzes Leben im Dorf verbracht und waren zum Zeitpunkt des Mordes schon fast im Rentenalter gewesen, also vielleicht abgeklärter als die damals jungen Eltern, abgeklärter und objektiver.
Der alte Mann war allein. »Die Frau ist mit der Tochter zum Markt gefahren«, erklärte er. »Das machen die donnerstags immer.«
Willemsen war Schornsteinfeger gewesen.
»Ich bin in jedes Haus gekommen. Der Fritz Maas, der war eigen. Ein grundanständiger Mann und ein guter Katholik, das ja, aber eben doch eigen.«
Friedrich Maas war der einzige Bauer in Kessel gewesen, der von der Auskiesung nichts gehalten hatte. »Dem war die Scholle heilig.« Die anderen hatten ihm bittere Vorwürfe gemacht: Er würde sich gegen den Fortschritt stellen, er würde den Aufschwung des Dorfes verhindern. »Aber eigentlich ging es, wie so oft, nur um Geld. Maas’ Grundstück lag ja mitten im geplanten Kiesgebiet. Wenn er nicht verkaufte, blieben ein paar andere auf ihren Grundstücken sitzen, aber das war Fritz egal.«
»Nein, als Sonderling würde ich ihn nicht bezeichnen. Der war genauso in allen Vereinen wie wir anderen auch.«
»Der Mord an dem Kind? Da kann ich gar nichts zu sagen. Ich war ja nicht dabei, und gesehen habe ich auch nichts. Aber verstehen kann ich das bis heute nicht, dass jemand auf einmal verrückt wird. Ich meine, jetzt kommt so was ja jeden Tag durchs Fernsehen, aber vor zwanzig Jahren …«
»Ich persönlich kann über Sabine nichts Schlechtes sagen, zu mir war sie immer freundlich. Auf das Gerede der Leute haben wir nie viel gegeben, meine Frau und ich. Sabine war genauso eigen wie ihr Vater. Als sie da all diese Leute bei sich wohnen hatte, haben wir immer gesagt: Das macht die doch extra, gerade weil sich die Leute das Maul zerreißen.«
Als van Appeldorn von Sabines Selbstmord erzählte und erklärte, dass es sich bei dem jungen Mann, der am Samstag erschossen worden war, um ihren Sohn gehandelt hatte, holte Willemsen ein zerknautschtes Taschentuch hervor und wischte sich die Augen. »Was für ein Elend.«
Hans-Jürgen Küppers stürzte beinahe von der Leiter, als Ackermann ein frisches »Guten Morgen« schmetterte.
Er war gerade dabei, den Gastraum zu weißeln.
»Mensch, Jupp, hast du mich erschreckt!«
Türen und Fenster waren weit geöffnet, dennoch hing ein schwerer Modergeruch
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